Hurerei - History
#1
Hab zu dem Thema - die Geschichte der Hurerei - keinen Thread gefunden. Deshalb mach ich mal nen neuen auf.

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Das "süntlich werck" im "Schanthaus" oder:

Wenn sich die Männerwelt "ihrer bösen lust auß mangel deß gemeinen haußes nicht entschütten könnte"

Zitat:Ein Vierteljahrtausend lang florierten in Deutschland die "Frauenhäuser" - kommunale Bordelle mit zunftartigem Status.

Andere Städtchen, andere Mädchen. Mit roten Schleiern (in Köln) oder blauen Bändern (in Leipzig) lockten die "gemainen frouwelin". Und überall moderate Gebühren: Zwei Pfennig, soviel wie ein Pfund Kalbfleisch, kostete ein Schäferstündchen, fünf Pfennig die ganze Nacht. Gute alte Zeit?

Inmitten einer anrüchigen Nachbarschaft von Henkern, Totengräbern und Brechbadern gab es kargen Komfort "auf Stroh" in armseligen Hütten. Laut alten Chroniken bedrohte die "frantzösische mala" Frauen wie Freier. Dem "Hurenmaister" machten überdies "vil gewalttaten und toitslege" (Totschlag) zu schaffen. Finsteres Mittelalter?

Zwischen den beiden Extremen pendelte ein Langzeitversuch in Sachen Libido. 250 Jahre lang, von 1350 bis 1600, kümmerten sich die Städte und Gemeinden in Deutschland nicht nur um Schulen und Spitäler, Müll und Abwasser, sondern auch um die Kanalisierung der Liebe und Triebe.
Wandergesellen, reisende Singles und Studenten sollten ein Ventil finden - und ehrbare Bürgerinnen und deren Töchter möglichst unbehelligt lassen. Wenn sich die Männerwelt "ihrer bösen lust auß mangel deß gemeinen haußes nicht entschütten könnte", so sorgten sich etwa die Nürnberger Ratsherren, möchte es am Ende "vill mehr unraths geben".

Allerorts herrschte die vom Heiligen Augustinus bereits im vierten Jahrhundert entwickelte Toleranz-Theologie gegenüber der Prostitution - zur Vermeidung "merer uebels". Zweieinhalb Jahrhunderte lang organisierte die klerikale und kommunale Bürokratie die Ware Liebe, bis sie unter dem Druck der Reformation wieder ins Zwielicht am Rande der Gesellschaft zurückgedrängt wurde.

Über Brauch und Mißbrauch in den mittelalterlichen Frauenhäusern geben alte Ortschroniken, Berichte von Reisenden und die kommunalen Arbeitsverträge mit den Wirten und Wirtinnen der Bordelle Auskunft, mit oft drastischen Details.

Der Bielefelder Historiker und Mathematiker Peter Schuster, 35, hat über hundert Kommunalarchive zwischen Augsburg und Zwickau durchforstet. Bei der "Umwälzung der Literaturmassen" fand er freilich nirgendwo "überschäumende Sinnenfreude" oder gar "hemmungsloses Ausleben der männlichen Sexualität", dafür um so mehr altdeutsche Bürokratie (*).

Das "süntlich werck" im "Schanthaus" wurde mit penibler Gründlichkeit verwaltet. Mancherorts klang der alljährliche Eid des Frauenhauswirts wie der eines Staatschefs von heute. In Ulm etwa mußte der Leiter des Gemeindepuffs schwören, seiner Stadt "getrew und hold ze sind", ihren "nutz und frumen zu furdern" und allen "schaden zu warnen und zu wenden".

Gegenstand steter Sorge war die Bereithaltung eines ausreichenden Kontingents. Gab es in der Bischofsstadt Würzburg anfangs nur einen einzigen Gemeinschaftsraum, so konnte München schon mit zwölf abschließbaren Kammern aufwarten. Der Ulmer Frauenhauswirt hatte sich verpflichtet, "zu keiner Zeit unter vierzehen Frawen nit zu haben". Nürnberg hielt mit 24 Frauen den damaligen Rekord.

In Zeiten erhöhter Nachfrage, etwa bei Messen, Jahrmärkten, Reichstagen oder Konzilien, konnte das Stammpersonal rasch durch "varende Frawen" aufgestockt werden. Oft schon zeugten die Namen vom kosmopolitischen Zuschnitt des Nachschubs: Klein Enchen von Eger, Ketha von Wildeshain, Hedwig Schlesierin, Gryta Frankin oder Katharina von Meißen.

Während des Konzils von 1414 bis 1418 in Konstanz waren zeitweise bis zu 1500 Prostituierte zugegen. Auch beim Reichstag von 1394 in Frankfurt entfielen auf die 300 Delegierten nicht weniger als 800 Dirnen. Ein Delegierter aus Straßburg notierte nach seinem Bordellbesuch: "Tut dreißig Pfennig."

Der Politiker hatte des Guten offenbar zuviel getan. Denn die Tarife im Lande bewegten sich zwischen 2 Pfennig (Nördlingen), 3 Pfennig (Konstanz, Nürnberg) bis höchstens 6 Pfennig (München). Ein Tagelöhner verdiente ungefähr 8 Pfennig, ein Handwerksgeselle bis zu 20 Pfennig pro Tag. Buchautor Schuster folgert: Ein Bordellbesuch war damals "durchaus auch häufiger erschwinglich" und konnte "selbst von einem Tagelöhner aus dem ,Cash-flow' bestritten werden".

Zwar standen den Kommunalhuren des Mittelalters zwei Drittel der Einnahmen zu, doch reich ist nach den Archivaufzeichnungen kaum eine geworden; 1495 vermachte eine Dresdner Frauenhäuslerin der örtlichen Kreuzkirche ihr gesamtes Vermögen: 11 Groschen. Eine in Quedlinburg erschlagene Dirne hinterließ der Stadtkirche immerhin 5 neue Schock, was in etwa 300 Groschen entsprach - oder 50 Tagelöhnen eines Knechtes.

Im Nachlaß einer Hamburger Prostituierten fand man sogar 124 Pfund - das war mehr als alle städtischen Einnahmen aus dem Bordellwesen binnen zehn Jahren. Doch Geld und Rentabilität waren den Kommunen bei ihren Liegenschaften ohnehin nicht wichtig. München ließ 1433 sogar programmatisch festschreiben, daß der Stadt "kein gult noch zins gevallen" solle, es sei denn, was das Frauenhaus "ze pawen und ze pesseren kostet".

Prostitution war zuweilen Teil der kommunalen Verkehrsplanung. In Augsburg zum Beispiel wurden die zwei Frauenhäuser vor dem Göggingertor gezielt so plaziert, daß der Fernverkehr zum Bodenseegebiet, in die Schweiz und nach Frankreich gefiltert und absorbiert werden konnte. Schuster: "Eine stadtplanerische Glanzleistung.“

(weiter gehts im nächsten Post)
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#2
Zitat:Die öffentliche Hand sorgte sich auch um die Hygiene. So mußte sich etwa der Nürnberger Frauenwirt eidesstattlich verpflichten, seinen Prostituierten neben den Zimmern, der Bettwäsche und den Speisen auch wöchentlich einmal ein Bad zur Verfügung zu stellen.

Akkurat wie im heutigen Ladenschlußgesetz waren die Öffnungs- und Schließzeiten der Gemeindebordelle geregelt. In Schlettstadt mußte jeder Gast, der abends nach dem dritten Glockenschlag noch angezogen im Frauenhaus ertappt wurde, zwei Schilling Strafe zahlen - es sei denn, er saß bereits "nacket bi einer tochter an eim Bette".

Für viele arme Jungfrauen waren die Frauenhäuser der Einstieg in einen Beruf, der nicht selten zu einer Lebensstellung wurde. Grede in Mainz war mit ihren 60 Jahren schon 44 Jahre in dem "frihen leben gewest" - Kollegin Heddewig konnte mit 41 Jahren auf 16 Jahre Berufserfahrung pochen. Die 70jährige Hebele war seit 30 Jahren im Frauenhaus tätig.

Allzu junge Mädchen, die "weder bruste noch anders hette, das dozu gehort", wurden von den Stadtknechten aufgespürt und mit Rutenschlägen bis auf weiteres "der stat verwisen".
Wer den Einstieg geschafft hatte, der konnte mancherorts mit einer für die damalige Zeit ansehnlichen Krankheits- und Altersversorgung rechnen: Arbeitsunfähige Prostituierte wurden aus einer Sammelkasse alimentiert.

Die städtisch bediensteten Dirnen hatten vielerorts zwar nicht gerade einen Beamtenstatus, aber doch fast das Ansehen einer Handwerkerzunft. Sie nahmen im Kirchengestühl ihren festen Platz ein, wurden zu Hochzeiten eingeladen und marschierten bei Prozessionen mit. In Frankfurt nahmen die kommunalen Nutten am alljährlichen Hirschessen der Ratsherren teil. Zuweilen kam es sogar zu allerhöchsten Kontakten. 1471 etwa geriet Kaiser Friedrich III. unter Nürnberger Nutten und mußte sich mit einem Gulden freikaufen. In Breslau verirrte sich 1454 König Ladislaus aus Versehen in die "Wohnung feiler Dirnen". 1513 wurde der Braunschweiger Herzog Erich I. bei einer Stadtbesichtigung in Göttingen in ein Frauenhaus "gezogen".

In den meisten städtischen Satzungen und in Landesgesetzen waren Mißhandlung, Verletzung und Vergewaltigung von Dirnen strafbewehrte Delikte. Das Recht auf den Dirnenlohn und das Recht auf Freizügigkeit und jederzeitigen Austritt aus dem Gewerbe waren ebenfalls rechtlich verankert.

Es gab für die Frauenhausmitarbeiterinnen sogar gesetzlichen Konkurrenzschutz, auf den sich zum Beispiel 1512 zwei Regensburger Frauenwirtinnen beriefen. Sie denunzierten im Rathaus 86 freie Prostituierte in der Stadt - darunter auch Frauen, "die from Eheman haben und leider auch viel Abentheuer treiben".

Acht Nürnberger Prostituierte holten sich bei Bürgermeister Markhart Mandel sogar die Erlaubnis, ein rivalisierendes Privatbordell mit Gewalt auszuheben: "Sie zerprachen die venstergläser", so berichtet die Chronik, "und schlugen die alte hurnwirtin gar greulichen."

Für freie Liebespraktiken war in diesem Kommunalklima von "law and order" so gut wie kein Platz. Sonderwünsche von Freiern, die auch nur minimal von der Missionarsstellung abwichen, wurden angezeigt und bestraft. Die Dirne Sophia Farnekap beschwerte sich über einen Gast, der ihre Beine um seinen Nacken legen wollte. Und Jörg Schlegelholz aus Ulm wurde öffentlich verbrannt, weil er Analverkehr mit einer Dirne gehabt hatte.

Michael Buser aus Nördlingen kam mit einem zweijährigen Stadtverweis davon: Er hatte lediglich "im frawenhaus einen frawen pfeffer in ire heimliche scham getan" und damit "mergklich schmerzen zugefügt".
Die Reformatoren, allen voran der Ex-Mönch Martin Luther, machten schließlich den öffentlichen Häusern den Garaus. Die Nürnberger versteckten ihr Frauenhaus zunächst hinter einem "Thor mit zweien flügeln und ein klein thürlein mit ein anhengend stein, damit jedes mal wider zufallen".

Ein Gutachten von neun Juristen empfahl den Stadtvätern schließlich, um Ärger zu vermeiden, die Schließung des Kommunalpuffs. Der Frauenwirt mußte, so die Anweisung, "alle weiber, die er bey im hab, inn zwaien tagen vonn sich unnd aus der statt schaffen".

So nobel ging es nicht überall her. In Freiburg etwa wurden die "Hurenmaide", in Hannover ertappte Freier an den Pranger gestellt.
Willkommene Hilfe bekamen die Prostituierten lange Zeit von der katholischen Kirche. Papst Pius II. (1458 bis 1464) etwa war ein eifriger Befürworter der kommunalen Unzuchtstätten. Die vatikanische Wende kam erst hundert Jahre später unter Pius V. Die Frauenhäuser galten fortan auch den Katholischen als "Institutum diaboli".

Die Einfältigen, erläuterte eine Pastoral-Urkunde der Diözese Köln anno 1591 den verspäteten Schwenk, könnten "in die Gedanken kommen, das huhrerei kein sünde sey, weill sie von der Oberkait dermaßen offentlich zugelassen wirtt".
Das Verdikt gilt bis heute.

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(*) Peter Schuster: "Das Frauenhaus. Städtische Bordelle in Deutschland (1350-1600)".

Quelle: Spiegel, 24.08.1992
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#3
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Die Hurerei aus Sicht der alten Kirchenväter:

"Unterdrückt die öffentlichen Dirnen, und die Gewalt der Leidenschaften
wird alles über den Haufen werfen."
Der heilige Augustin

"Die Prostitution in den Städten gleicht der Kloake im Palast; schafft die
Kloake ab, und der Palast wird ein unreiner und stinkender Ort werden."
Thomas Aquin

Huren sind nützlich, weil sie schützen die anderen Damen…

Der Leipziger Polizeiarzt Dr. J. Kühn vertritt die Auffassung: "Die
Prostitution ist nicht bloß ein zu duldendes, sondern ein notwendiges
Übel, denn sie schützt die Weiber vor Untreue und die Tugend vor
Angriffen und somit vor dem Falle."
J. Kühn, Die Prostitution im neunzehnten Jahrhundert vom
sanitätspolizeilichen Standpunkt. Leipzig 1892


…und sie verhindern das Heranwachsen von Staatsfeinden,

denn die Prostitution verhütet, dass "unter dem Zwange des
Naturgesetzes
Ehen geschlossen werden, die zu einer Vermehrung
des Volkes um Elemente führen, deren aus Not unterbliebene Erziehung
und aus einer freudlosen Jugend entspringende staatsfeindliche
Gesinnung sie zu Gegnern der Gesellschaft macht
".
B. Severus, Prostitution und Staatsgewalt. Dresden 1899

Verursacht ist die Prostitution im Wesentlichen durch einen
Webfehler bei den Frauenzimmern - natürlich:


"Die Prostitution beim Weibe hat zu allen Zeiten und bei allen
Völkern der Erde bestanden, sie ist etwas Unzerstörbares, weil sie dem
Geschlechtsverkehr dient, aus der Natur des Menschen sich ableitet und
weil der Trieb zur Prostitution in vielen Fällen sozusagen auf
angeborene Fehler mancher Frauen zurückzuführen ist
. Gerade wie in
einer Bevölkerung das Genie und der Blödsinn, das Riesen- und
Zwergwachstum und andere Abweichungen von dem allgemeinen Mittel,
dem gewöhnlichen, vertreten zu sein pflegen, ebenso treten durch das
Spiel der Geburt auch jene Abnormitäten zutage, welche zur Prostitution
führen müssen."
Max Rubner, Lehrbuch der Hygiene. 8. Auflage, S. 654. Leipzig 1907
(Rubner war Professor an der Berliner Universität und Direktor des
Hygienischen Instituts)


Weitere Ursachenforschung:

"Die Ursachen der bodenlosen moralischen Versunkenheit, aus der
das prostituierte Mädchen hervorgeht, liegen in den dermaligen sozialen
Zuständen ... Es ist namentlich die bürgerliche Auflösung der
Mittelklassen und ihrer Existenz
, insbesondere des Handwerker-
standes, der heute nur noch zu einem kleinen Bruchteil eine
selbständige, gewerbsmäßige Arbeit betreibt."
Th. Bade, Über Gelegenheitsmacherei und öffentliches Tanzvergnügen.
Berlin 1858


(Bades Auffassung, dass ein Großteil der Huren aus dem niedergehenden
Handwerkerstand entspringt, wird gestützt durch eine Statistik des
Berliner Polizeipräsidiums aus den Jahren 1871/72 über die Herkunft von
2.224 eingeschriebenen Berliner Prostituierten:

1.015 Huren = 47,9 % aus dem Handwerkerstand
467 = 22,0 % aus dem Fabrikarbeiterstand
305 = 14,4 % aus dem kleinen Beamtenstand
222 = 10,4 % aus den Handels- und Verkehrstreibenden
87 = 4,1 % aus der Landwirtschaft
26 = 1,2 % aus dem Militärstand
Von 102 war der Beruf des Vaters nicht zu ermitteln.)

Die Prostitution wird es - da freuen wir uns! - noch sehr lange geben:

"Die fortschreitende Zivilisation wird die Prostitution allmählich in
gefälligere Formen hüllen, aber nur mit dem Untergang der Welt wird
sie vom Erdball vertilgt werden können
."
Dr. F. S. Hügel, Zur Geschichte, Statistik und Regelung der Prostitution
in Wien, 1865


Auch R. Schmölder meint, dass die Prostitution "nach menschlichem
Ermessen ein steter Begleiter der Menschheit bleiben wird".
R. Schmölder, Die Bestrafung und polizeiliche Behandlung der
gewerbsmäßigen Unzucht. Düsseldorf 1892
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#4
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Die guten alten Zeiten (um 1900)


Edelwildjagd:

Ein Berliner “Ball-Etablissement” versendet folgende Einladung an die “vornehme
Männerwelt”:

Zitat:Die unterzeichnete Jagdsaalverwaltung, deren Direktion Sie, hochgeehrter Herr, als
passionierter Jäger empfohlen worden, gibt sich die hohe Ehre, Ew. Hochwohlgeboren
auf ein neuerschlossenes, herrlichen Jagdterrain mit reichem, vorzüglichem Wildstand
aufmerksam zu machen und zur ersten Edelwildjagd am 26. August a.c. in den
Jagdsälen höflichst einzuladen.

Ein besonderer Umstand läßt unser neues Forstrevier in hervorragender Weise angenehm
und bequem erscheinen: die Jagdgründe befinden sich im Mittelpunkt der Residenz, das
Wild ist keinerlei Schonung unterworfen
.

Aalgreifen:

Zitat:Der Inhaber eines dieser der Gelegenheitsmacherei dienenden Lokale in der ... straße in
Berlin gibt sogar ein eigenes illustriertes Blatt heraus, in dem das Treiben der dort
verkehrenden Gesellschaft geschildert wird
. Das Lokal verfügt über 400 Sitzplätze, in
dem allabendlich ein elegantes Publikum, das als Stammpublikum - wie es in dem Blatt
heißt - der höchsten Geburts- und Finanzaristokratie angehört, verkehrt.

Der Trubel und Jubel nehme geradezu beängstigende Dimensionen an, wenn, wie fast
täglich, zahlreiche Damen der Theaterwelt und bekannte Beautés der Lebewelt anwesend
sind und wenn die findige Direktion, um der Heiterkeit die Krone aufzusetzen, in
vorgerückter Morgenstunde ein Aalgreifen veranstaltet
...

Rings um das Bassin herum kauern mit hochgeschürzten Kleidern die schönen
Besucherinnen der Bar
und haschen nach dem Aal. Und so weiter. Die Polizei
kennt dieses Treiben genau, aber sie hütet sich, die vornehme Gesellschaft in ihren
Vergnügungen zu stören.

Quelle beider Zitate: August Bebel, "Die Frau und der Sozialismus"
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#5
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Um 1880: deutsche Huren für die halbe Welt

Der dem Deutschen innewohnende Drang zum Wandern schien vor über 100 Jahren
auch einen Teil der deutschen Frauen erfasst zu haben. Denn sie stellten damals ein
großes Kontingent für die Versorgung der internationalen Prostitution.

In seinem Reisewerk "Aus Japan nach Deutschland durch Sibirien" (1882) berichtet
Wilhelm Joest (*) über den zeitgenössischen Mädchenhandel folgendes:

Zitat:Man ereifert sich in unserem moralischen Deutschland oft über den Sklavenhandel, den
irgendein westafrikanischer Negerfürst treibt, oder über die Zustände in Kuba und
Brasilien und sollte sich lieber doch des Balkens im eigenen Auge erinnern, denn in
keinem Lande wird mit weißen Sklavinnen in solcher Weise gehandelt, aus keinem
Lande wird so viel dieser lebenden Ware expediert, wie gerade aus Deutschland und
Österreich
.

Der Weg, den diese Mädchen nehmen, läßt sich ganz genau verfolgen:

Von Hamburg werden dieselben nach Südamerika verschifft, Bahia, Rio de Janeiro
erhält seine Quote, der größte Teil aber ist für Montevideo und Buenos Aires bestimmt,
während ein kleiner Rest durch die Magellanstraße bis Valparaiso geht.

Ein anderer Strom wird über England oder direkt nach Nordamerika dirigiert, kann aber
hier nur schwer mit dem einheimischen Produkt konkurrieren, er verteilt sich daher den
Mississippi hinab bis nach New Orleans und Texas oder gen Westen nach Kalifornien.
Von dort wird die Küste bis Panama hinunter versorgt, während Kuba, Westindien und
Mexiko ihren Bedarf von New Orleans beziehen.

Unter dem Titel 'Böhminnen' werden weitere Scharen deutscher Mädchen über die Alpen
nach Italien exportiert und dann weiter südlich nach Alexandrien, Suez, Bombay,
Kalkutta bis Singapore, ja nach Hongkong bis Schanghai hin.

Holländisch-Indien und Ostasien, zumal Japan, sind schlechte Märkte, da Holland in
seinen Kolonien keine weißen Mädchen dieser Sorte duldet und in Japan die Töchter des
Landes selbst zu hübsch und billig sind
; auch verdirbt die amerikanische Konkurrenz
von San Franzisko aus die günstige Konjunktur
.

Rußland wird von Ostpreußen, Pommern und Polen aus versorgt. Die erste Station ist
meistens Riga. Hier assortieren sich die Petersburger und Moskauer Händler und
schicken ihre Ware in großen Quantitäten nach Nishni Nowgorod bis über den Ural nach
Irbit und Krestowsky, ja bis in das innerste Sibirien hinein; so traf ich zum Beispiel ein
deutsches auf diese Weise verhandeltes Mädchen in Tschita.

Dieser großartige Handel ist vollkommen organisiert, er wird durch Agenten und
Handlungsreisende vermittelt
, und wenn das auswärtige Amt des deutschen Reiches
einmal hierüber Berichte seiner Konsuln verlangen würde, so ließen sich recht
interessante statistische Tabellen feststellen.

(*) Quelle: Wilhelm J. Joest, Aus Japan nach Deutschland durch Sibirien. 1882

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Joest, Wilhelm J., geb. 15. März 1852 in Köln, gest. 25. November 1897 auf den Banks-
Inseln (Vanuatu), war Naturwissenschaftler (Ethnologe) und Forschungsreisender. Auf
seinen Reisen ist er ziemlich weit herumgekommen:

Orient und die nordafrikanischen Küstenländer. Ganz Amerika vom nördlichen Kanada
bis zum Süden Argentiniens. Ceylon, Indien bis zum Himalaja, Afghanistan. Birma, Siam,
Borneo, Ceram und Celebes. Kambodscha und Philippinen. Er lebte längere Zeit unter den
Eingeborenen Formosas (Taiwan). Von Peking aus in die Mongolei, darauf nach Japan,
und von Wladiwostok durch die Mandschurei, Mongolei und Sibirien nach Deutschland
zurück, wo er seine Reiseaufzeichnungen veröffentlichte:
Aus Japan nach Deutschland durch Sibirien (Köln 1882) und
Das Holontalo, ein Beitrag zur Kenntnis der Sprachen von Celebes (Berlin 1884).
1883 umschiffte er von Madeira aus ganz Afrika, wobei er Südafrika eingehender
studierte und seine Beobachtungen in dem Werk Um Afrika (Köln 1885) niederschrieb.
Zuletzt Reisen nach Australien und Südseeinseln.
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(22.02.2011, 19:34)Elmar2000 schrieb: *****

Die Hurerei aus Sicht der alten Kirchenväter:

Dazu habe ich auch was gefunden:

Zitat:"Die Weiber sind hauptsächlich dazu bestimmt, die Geilheit der Männer zu befriedigen."
(Johannes Chrysostomos, 349-407, gr. Kirchenlehrer)
(Chrysostomos wird als einer der vier großen griechischen Kirchenväter verehrt, also als einer der frühchristlichen Schriftsteller, die in ihren Schriften die christliche Lehre begründeten.)

"Weiber sind von der Natur zum gemeinschaftlichen Genuß bestimmt."
(Kapokrates, Frühchrist und Klostergründer)

"Auch sie (die Ehe) basiert auf demselben Akt wie die Hurerei. Darum ist es das Beste für den Menschen, kein Weib zu berühren. "
(Quintus Tertullian, Kirchenschriftsteller, 160-225)
(Tertullian vertrat einen rigorosen ethischen Standpunkt und setzte sich für eine strenge Kirchendisziplin ein. Seine Theologie war prägend für die christliche Frühkirche.)

"Will die Frau nicht, so komm' die Magd!"
(Martin Luther, Frauenfreund)

"Darum hat das Maidlein ihr Punzlein, daß es dem Manne ein Heilmittel bringe."
(Martin Luther)

"Mönche brauchen nur eine Frau zu sehen, dann grunzen sie wie echte Schweine."
(Pressemitteilung Deutscher Katholikentag 1968)

"Aber, wie nun die Gemeinde ist Christo untertan, also auch die Weiber ihren Männern in allen Dingen."
(Paulusbrief an die Epheser)

"Mädchen, die Miniröcke tragen, kommen in die Hölle."
(Der Jesuit Wild im 20. Jahrh.)

"...wer mag alle leichtfertigen und abergläubischen Dinge erzählen, welche die Weiber treiben...es ist ihnen von der Mutter Eva angeboren, daß sie sich äffen und trügen lassen."
(Martin Luther)

"Nahe der Kirche dürfen keine Frauen wohnen."
(Synode von Coyaca, 1050)

"Priester, die Frauen beherbergen, die Verdacht erregen, sollen bestraft werden. Die Frauen aber soll der Bischof in die Sklaverei verkaufen."
(2. Synode von Toledo, 589)

Ehe ist Arznei für Hurerei.
(Martin Luther)

'Mögen doch alle Bäume solche Früchte tragen.'
(Der Kyniker Diogenes angesichts einer Frau, die an einem Ölbaum erhängt wurde)

carolusMAGNUS [Bild: bischof-winkend.gif]
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#7
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Berlin anno 1890:

”Kaum bekleidete Damen” in Tingeltangel und Schießbuden
laden “verführerisch lächelnd zur 'Schützenruh' ” ein


Anlässlich der ungeheueren Vorgänge auf dem deutschen Schützenfest in Berlin im
Sommer 1890 fürchten ”deutsche Frauen” um Sitte und Anstand bei Familienvätern und
Söhnen und schreiben eine Petition an den Oberbürgermeister der deutschen Hauptstadt:

Zitat:Gestatten Ew. Hochwohlgeboren allergütigst, daß wir über das diesjährige, bei Pankow
vom 6. bis 13. Juli abgehaltene deutsche Bundesschießen dasjenige erwähnen, was durch
die Presse und andere Mitteilungen über jenes Fest in die Provinzen gedrungen ist.

Die Berichte, welche wir darüber mit tiefster Entrüstung und mit Abscheu vernommen
haben, führten unter anderem die Schaustellungen jenes Festes also auf:

'Erster deutscher Herold, größtes Chantant der Welt.' 'Hundert Damen und vierzig
Herren.'


Daneben kleinere Tingeltangel und Schießbuden, aus denen überaus zudringliche
Frauenzimmer der Männerwelt sich anwarfen
.

Ferner 'Freikonzert', dessen luftigst gekleidete Kellnerinnen frech und ungehindert den
Gymnasiasten wie den Familienvater, den Jüngling wie den Mann verführerisch lächelnd
zur 'Schützenruh' einluden
...

Allein die kaum bekleidete 'Dame', welche zum Besuch der Bude 'Die Geheimnisse
Hamburgs oder eine Nacht in St. Pauli' einlud
, hätte doch wohl füglich von Polizei
wegen beseitigt werden können.

Und dann das Entsetzliche, was einfache Bürger und Bürgerinnen der Provinz von der so
viel gerühmten Reichshauptstadt kaum zu fassen vermögen, die verlautende Kunde: Daß
die Festleitung es zugelassen haben soll, anstatt der sich anbietenden Kellner 'junge
Frauenzimmer' in großer Zahl als Schenkmädchen ohne Bezahlung
anzustellen ...

Wir deutschen Frauen haben als Gattinnen, Mütter und als Schwestern unsere
Ehemänner, Kinder, Töchter und Brüder in tausendfacher Veranlassung zum Dienst des
Vaterlandes nach Berlin zu schicken, und so bitten wir Ew. Hochwohlgeboren in aller
Untertänigkeit und in zuversichtlichem Vertrauen
, bei dem großen, schwerwiegenden
Einfluß, welchen Sie als oberster Beamter der Reichshauptstadt in Händen haben, über
jene unwürdigen Vorgänge derartige Untersuchungen anordnen zu wollen oder sonstige
Ew. Hochwohlgeboren zweckdienlich erscheinende Verordnungen zu treffen, welche
eine Wiederkehr jener Orgien, namentlich auch auf dem bevorstehenden Sedanfeste,
keinesfalls befürchten lassen ...

Quelle: August Bebel, "Die Frau und der Sozialismus"
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Das waren Zeiten! Da durfte man in den Schießbuden noch aus allen Rohren schießen.
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#8
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Berlin um 1900:

„Fräulein, Sie warten gewiss schon lange?“



Wie heute so auch damals: die anständigen Bürger waren entsetzt. So wetterte z. B. die
„Berliner Morgenpost“ am 12. August 1899 über das immer schlimmer werdende Treiben
der „interessanten Damen“ und ihrer „Beschützer“ an der Fischerbrücke (heute: Fischer-
insel). Die Damen waren auf Freiersuche und das fand die Zeitung „umso bedauerlicher,
als die Straße vielfach von den Schülern des Köllnischen Gymnasiums in der Inselstraße
passiert wird.“

Schon früh morgens streiften die Huren ihre „Dienstuniform“ über: die Titten waren prall
hochgeschnürt und auf dem Kopf trugen sie meist einen auffälligen großen Hut – und
dann gingen sie die Gasse auf und ab. Für die suchenden Blicke der Hurengänger waren
sie kaum zu übersehen:

Zitat:Gewöhnlich verraten sie ihren Stand dadurch, dass sie bei der Annäherung eines Mannes
stehen bleiben, denselben mit den Augen fixieren und einige Schritte nachsehen oder dass
sie beim Vorübergehen irgendeine obszöne Melodie leise vor sich hinträllern.

Quelle: der damalige Chronist des Berliner Dirnentums, Hans Ostwald (*).

So ganz sicher scheinen sich unsere damaligen Mitstecher aber nicht in jedem Fall gewesen
zu sein, denn immer wieder meldeten die Zeitungen, dass allein stehende Frauen in unsittlicher
Weise zu gewissen Dienstleistungen aufgefordert wurden, nur weil sie über eine öffentliche
Straße flanierten.

Die Friedrichstraße war eines der Zentren des Berliner Straßenlebens. Hier mischten sich die
sogenannten „öffentliche Mädchen“ mehr oder weniger auffällig unter die Passanten und
gingen auf die Suche nach Kundschaft. Sie schlenderten einzeln oder zu zweit untergehakt
die Bürgersteige entlang und warfen den Männern eindeutig-zweideutige Blicke zu. Dabei
immer bemüht, den Polizisten aus dem Weg zu gehen. Denn die hatten z.B. das Recht, eine
nächtliche Straßenpassantin, die ohne männliche Begleitung war, mit aufs Revier zu nehmen.


„Sie sind wie Damen, die auf die Elektrische warten“ (Dirnenchronist Ostwald)

Zur Anbahnung von Kontakten wurden auch die Haltestellen der neuen (elektrifizierten)
Straßenbahnen genutzt. Zum Beispiel an der Friedrich- Ecke Leipziger Straße oder
Bülow- Ecke Potsdamer Straße.

Das Ansprechen der „Bordsteinschwalben“ war Sache der Männer. Und die kannten sich mit
den Gepflogenheiten natürlich aus: die Gespräche begannen mit unverfänglichen Sätzen wie
“Fräulein, Sie warten gewiss schon lange?“ oder „Die richtige Elektrische kommt doch eig-
entlich zu selten.“ Und schon war man im Gespräch und konnte die Konversation aufs wesent-
liche Thema hinlenken.


Zu den damaligen Preisen:

- Die etwas teureren Huren fand man für 20 Reichsmark an der Friedrichstraße, Unter den
Linden oder in den neuen westlichen Vororten.

- Kleinbürger, die nicht mehr als fünf Reichsmark ausgeben wollten, suchten zum Beispiel
in der Bülowstraße Entspannung.

- Und Arbeiter, die eine oder zwei Mark investieren wollten, gingen zu den Hurenmärkten am
Schlesischen Bahnhof und im Scheunenviertel (nicht zu verwechseln mit der Spandauer
Vorstadt).

_________________________

(*) Ostwald, Hans Otto August, geb. 1873, gest. 1940
Journalist, Erzähler und Kulturhistoriker

Hans Ostwald, Das Berliner Dirnentum, 10 Bände, Leipzig 1905-1907

Bd. 1. Berliner Bordelle. 1905.
Bd. 2. Die freie Prostitution im Vormärz. 1905.
Bd. 3. Mätressen in Berlin. 1906.
Bd. 4. Der Tanz und die Prostitution. 1906.
Bd. 5. Männliche Prostitution. 1906.
Bd. 6. Prostitutionsmärkte. 1907.
Bd. 7. Schlupfwinkel der Prostitution. 1907.
Bd. 8. Gelegenheitsdirnen. 1907.
Bd. 9. Dirnentypen. 1907.
Bd. 10. Ausbeuter der Dirnen. 1907.
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#9
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Die Hurerei im 19. Jahrhundert - am Beispiel Berlin


Allgemeines

Anfang des 19. Jahrhunderts hatte die preußische Regierung die über ganz Berlin verteil-
ten Freudenhäuser nach und nach in die Königsmauer (eine Gasse direkt an der Kloster-
straße) gedrängt. Bis um 1850 waren dann nahezu alle der 52 Häuser dieser berüchtigten
Gasse in ein „Etablissement“ umgewandelt.

In jedem der Häuser arbeiteten so zwischen 10 bis 25 Huren. Geführt wurden die Bor-
delle meist von Frauen, die „Wirtinnen“ genannt wurden. Obwohl es offiziell, d. h. Polizei-
lich verboten war, die Freier ins Haus zu locken, saßen die Nutten - wie ein Chronist ver-
merkt - mit „halbentblößtem Körper ganz ungeniert am offenen Fenster“. Wie so oft
in der Geschichte der Hurerei war sie also gesetzlich verboten, wurde aber dennoch ge-
duldet.

Dulden heißt aber nicht akzeptieren. Und so versuchte die Obrigkeit ab ca. 1860 – mal
wieder; nach einer Periode der Liberalisierung - die Freudenhäuser ganz zu verbieten. Sie
musste aber feststellen, dass sich daraufhin immer mehr illegale Bordelle über die gan-
ze Stadt verteilten und sich die Prostitution zudem immer massenhafter auf den Straßen
ausbreitete. So dass der Kampf gegen die „Sittenlosigkeit“ auch wieder seine Strenge ver-
lor: man verlegte sich mehr auf die Eindämmung der Ausbreitung von Geschlechtskrank-
heiten, indem man die Dirnen zu ärztlicher Überwachung zwang.

Berlin entwickelte sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu einem Hort der
Prostitution
in Deutschland. Gab es 1871 in Berlin rund 15.000 Huren, so waren es An-
fang des 20. Jahrhunderts schon 50.000. Die Stadt blühte nämlich auf im Zuge der mit der
Industrialisierung einhergehenden neuen „Geschäftigkeit“: es wurde enorm viel Geld ge-
macht und das sprach sich rum. Also suchten Frauen und Mädchen aus der näheren und
weiteren Umgebung in Berlin ihr Glück – und nicht wenige landeten „auf der Straße“.
Auch die Mädchenhändler hatten Konjunktur: es gab große Nachfrage nach bezahlbaren
Mösen und so sorgten geschäftstüchtige Zeitgenossen für ständigen Nachschub an
"frischen Halbweltlerinnen" (heute „Frischfleisch“ genannt). Sie versprachen Verträge als
Zugehfrauen in vornehmen Häusern oder Anstellungen in Theatern – in Wahrheit lockten
sie nur neue „Bordsteinschwalben“ und „Animiermädchen“ in die Hauptstadt.


Wie es um 1850 im Puff zuging

Unser Urgroßvater besichtigte die „Frolleins“ in einem großen Versammlungsraum (so
was ist ja auch heute noch anzutreffen). Wünschte er sich mit der Wahl seines Herzens
(bestimmt durch die Schwellung in seiner Unterhose) in eines der Zimmer zurückzuzie-
hen, dann musste er erst an der Wirtin vorbei. Die drückte ihrer Dirne eine kleine Kerze in
die Hand, die nur wenige Minuten Brenndauer zu bieten hatte. Da die Zimmer stock-
finster
waren, gemahnte der von der mickrigen Kerze arg begrenzte Zeitrahmen unseren
damaligen Mitstecher zur Eile. Unser armer Uropa war also notgedrungen zu einem
Quickie verdammt. Der Puffmutti war das natürlich recht und sie verschaffte sich anhand
der Anzahl der abgebrannten Kerzen einen Überblick über die tägliche Fickrate. So ging
anno dazumal die Buchführung im Puff.
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#10
***

Spionage-Puff: flirten, ficken - und verpfeifen

Wie jederMann so sind auch Politiker, Diplomaten und Militärs bisweilen - oder
auch öfter - geil. Und dann sinnen sie auf Abhilfe: Nutten müssen her. Und weil
Geld nicht so die Rolle spielt, entsteht eine spezielle Nachfrage nach Edelprosti-
tuierten in mondäner Umgebung. Sehr gut aussehend, raffiniert-galant und der
gehobenen Konversation mächtig müssen die exklusiven Ladies sein - obwohl,
wie böse Zungen behaupten, es am Ende dann doch genau so schlicht zugehen
soll wie bei Hinz und Kunz: auch die Einflussreichen aus Gesellschaft und Politik
rotzen zum Schluss den Weibern ganz ordinär in Mund und Möse.

Wie auch immer: diese gutbetuchte Klientel hatte Ende der 1920er-Jahre die ge-
schäftstüchtige Katharina Zammit im Auge. Und sie machte den Herren ein An-
gebot: sie eröffnete im feinen Berliner Stadtteil Charlottenburg in der Gisebrecht-
straße 11, einer Seitenstraße des Kurfürstendamms, ein Edelbordell und nannte
es „Salon Kitty“ und sich selber fortan Kitty. Das Geschäftsmodell kam gut an,
denn schon bald verkehrten dort die Spitzen der Berliner Gesellschaft und entleer-
ten bei Kitty und ihren Salondamen eifrig sowohl ihre gutgefüllten Geld- wie auch
prallgefüllten Samenbeutel.

Der Puff brummte prächtig über die ganzen 1930er-Jahre, bis im Jahre 1939 Ge-
stapo-Chef Reinhard Heydrich und sein Adjutant Walter Schellenberg auf den
Laden aufmerksam wurden: sie waren auf der Suche nach einem Objekt zur Ein-
richtung eines Spionage-Bordells und befanden „Salon-Kitty“ als dafür geeignet.

Verführen für den "Führer"

Und dann ging alles ganz schnell: gezielt wurde die Inhaberin Kitty unter Druck ge-
setzt und für eine stillschweigende Zusammenarbeit ‚gewonnen’. Ihr Salon bekam
den unauffälligen Namen „Pension Schmidt". Alle Berliner Polizeidirektionen erhiel-
ten eine als "Geheime Reichssache" deklarierte Anfrage um Amtshilfe:

"Gesucht werden Frauen und Mädchen, die intelligent, mehrsprachig, national-
sozialistisch
gesinnt und ferner mannstoll (!) sind".
(schon interessant: die Gestapo sucht schlaue Faschistinnen, die geil aufs Ficken
sind und zudem das Schwanzlutschen - oder was sonst ist mit „mehrsprachig“
gemeint Wink - beherrschen)

Fündig wurden die frischgebackenen Bordellbetreiber von der SS zum Beispiel in
den Karteien der Sittenpolizei. Ex-Kitty-Callgirl Liesel A. erinnert sich (SPIEGEL,
1976): Man habe sie vor die Alternative gestellt, entweder in der Panzerkettenfabrik
zu rackern oder ihre vaterländische Pflicht im Nazi-Puff zu erfüllen. "Und nicht bum-
meln", habe der Herr, der sie zur Spionage abordnete, ihr noch mitgegeben. Ihr
Auftrag: Flirten, verführen - und verpfeifen.
Oder anders gesagt: beim Blasen auch Staatsgeheimnisse absaugen.

Spitz machen - und dabei spitzeln

In der Horizontalen nämlich, so die Kalkulation von Kittys neuen Auftraggebern,
werde sich durch intime Behandlung nicht nur die geile Anspannung, sondern auch
die Zunge der Freier lösen und so den Nazi-Machthabern wertvolle Informationen
liefern. Unbegründet war das nicht: zu den Kunden des - zwar umbenannten, aber
weiterhin gut bekannten - Etablissements zählten hohe ausländische Diplomaten.
Zum Beispiel erlebten der italienische Botschafter Dino Alfieri und auch dessen Chef,
der italienische Außenminister Graf Ciano (Mussolinis Schwiegersohn) bei ihren Ber-
lin-Besuchen ‚befreiende’ Stunden zwischen den Schenkeln der im doppelten Sinne
aufnahmebereiten Fräuleins der Pension Schmidt.

Lauschen fürs Vaterland

Heydrich und seine Leute wollten sich aber nicht allein auf die Berichte der Spio-
nagehuren verlassen. Also wurden die Fickräume mit Mikrofonen ausgestattet und
im Keller des Hauses eine Abhörzentrale eingerichtet. Und so herrschte oben in
den Separees erregtes Treiben während unten der Sicherheitsdienst der SS dem-
selben zuhörte - und dabei mit Sicherheit nicht nur seine Lauscher aufstellte...


PS:
Die gute Kitty schwieg übrigens bis zu ihrem Tod 1954 über das, was im Salon
während des Krieges geschah. Sie nahm ihr Wissen mit ins Grab. Hunderte von
Trauergästen folgten ihrem Sarg, um ihr die letzte Ehre zu erweisen - darunter
sollen nicht wenige Stammgäste gewesen sein.
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#11
Huren und Militär

Wenn der Soldat in den Krieg zieht, dann lässt er seine Alte zu Hause und bekommt dafür
eine Neue - auch die „Braut des Soldaten“ genannt. Mit dieser kann er zwar knallen,
schießen und auch ballern, aber so richtig ficken geht damit nicht. Also macht er sich auf
die Suche nach den Scheiden vor Ort, um in ihnen seinen Degen zu versenken. Durchaus
mit Erfolg, wie man hört. So war es früher und so ist es auch heute noch.

So weit so gut, sollte man meinen, aber nein, es gibt da einige Probleme:

- Zum einen sind die „Flittchen“ in den fremden Ländern zwar einem bezahlten Stößchen
nicht abgeneigt, aber manchmal sind sie auch patriotisch, und verraten dann die Stellung
(nein, nicht die!) und sonstige Geheimnisse an ihre Landsleute, d. h. an den Feind.

- Zum anderen zeigt die Erfahrung, dass sich heimlich und leise ein weiterer Feind ein-
schleicht: Syphilis und andere Geschlechtskrankheiten mindern die Stoßkraft der Truppe.

- Und nicht zuletzt können private Beziehungen zwischen Soldaten und weiblicher Zivil-
bevölkerung dazu führen, die Disziplin der Truppe und deren Autorität gegenüber der
Bevölkerung des bekriegten oder besetzten Landes zu untergraben.

Dieses ist der Militärführung nicht egal und deshalb versucht sie, die Sache in den Griff zu
bekommen: das Militärbordell mit ausgesuchten und medizinisch kontrollierten Nutten ist
eines der Lösungen.

Zwei historische Beispiele:

1. Frankreich zur Kolonialzeit:

In den ehemaligen französischen Kolonien in Nordafrika (wie Algerien und Tunesien)
waren die Feldärzte damit beauftragt, Militärbordelle einzurichten. Diese Puffs waren
streng nach Soldaten und Offizieren getrennt. Während die Offiziere edle Häuser mit
schönen und gebildeten Frauen besuchen konnten, standen den gemeinen Soldaten und
Söldnern fast ausschließlich sehr schlecht geführte Absteigen zur Verfügung. In letzteren
gab es Schwerstarbeit für die Mädels und Massenabfertigung für die Jungs:

“In den Militärbordellen … teilt eine Handvoll unglücklicher Mädchen in der Regel ein
Bataillon unter sich auf; dies bedeutet, dass jede in nicht einmal vierundzwanzig Stunden
mehr als hundert Freier bewältigen muss ... “
(Alphonse Boudard, Romi: Das goldene Zeitalter des Bordells)

2. Deutschland - Zweiter Weltkrieg:

Am 9. September 1939 gab Reichsinnenminister Wilhelm Frick einen Erlass heraus,
der die polizeiliche Behandlung der Prostitution im „Operationsgebiet“ der deutschen
Wehrmacht neu regelte: durch Untersagung und Verfolgung wilder Prostitution sollten
gesundheitliche Schädigungen der Wehrmachtsangehörigen verhindert werden. Die
Prostitution durfte „nur in besonderen Häusern“ unter Aufsicht des deutschen
Sanitätswesens unterhalten werden.

Der Heeresarzt und der Generalquartiermeister im Heeresoberkommando gaben im Juli
1940 zwei Erlasse für das besetzte Frankreich heraus, mit denen die Errichtung von
Bordellen für die Soldaten und die Sanktionierung wilder Prostitution in die Wege geleitet
wurde. Die Anordnungen (u. a. Beschlagnahme ausgewählter Bordelle) wurden erfolgreich
umgesetzt:

„Bordelle für Soldaten sind in fast allen größeren Orten eingerichtet und werden laufend
überwacht ... Razzien bezüglich der freien Prostitution wurden auf Veranlassung der
Kommandanturärzte in fast allen größeren Orten durch die französische Sittenpolizei, die
anscheinend gut arbeitet, durchgeführt ...“

Arbeitsbedingungen, Verdienst sowie die polizeiliche und medizinische Kontrolle der
Huren wurden mit Hilfe eines umfassenden Auflagenkatalogs bis ins einzelne geregelt.

Jeder Soldat erhielt eine Karte am Bordelleingang in welcher der Name des Bordells und
des Mädchens mit Datum der Vergnügung einzutragen war. Darunter stand:

Du mußt Dich nach dem Geschlechtsverkehr sanieren lassen! Die nächste Sanierungs-
stelle findest Du auf dem Plakat am Ausgang. Bewahre die Karte mindestens 5 Wochen
gut auf.“ (Das goldene Zeitalter des Bordells)
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Aus einem Merkblatt für Soldaten aus dem ersten Weltkrieg:


Hast ohne Gummi du geliebt und keine Vorsicht mal geübt - desgleichen, ist solch Ding geplatzt - so wasch' dich, sonst bist du verratzt


Stuart, Winke
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Woher kommt die Redewendung "Auf den Strich gehen" ??

Auf den Strich gehen: auf Männerfang ausgehen, auf der Suche nach Liebesabenteuern umherstreichen, von der Prostitution leben. Die Redensart wird bei uns heute ganz speziell auf Dirnen angewandt und ist so für Berlin seit der Mitte des 19. Jahrhunderts bezeugt; vgl. französisch 'faire le trottoir'.

Man hat die Wendung ebenfalls mit der Vogelstellerei in Zusammenhang gebracht und gemeint, daß sie eigentlich 'Finken fangen' bedeutet habe. Dafür spricht eine Stelle bei Hans Sachs ('Das böse Weib' 264):

Wann e und ich mich umb gesich,
So ist sie auf dem finckenstrich.

'Strich', das mit 'streichen' = ziehen verwandt ist, ist die Richtung, die die Vögel bei ihrem Zuge nehmen; so war schon in mittelhochdeutscher Zeit 'strich' = Richtung, Weg. In übertragener Bedeutung begegnet das Wort in heutigem Sinne in Lindeners 'Rastbüchlein' (28), wo es von einer Frau, die ihre Anständigkeit und Ehrbarkeit nur vortäuscht, heißt: »Dann sie fromb ist, wann mans sihet und tag ist, aber bey nacht hat sie iren strich«.

Die Redensart ist auch mit dem 'Schnepfenstrich', einer jägersprachlichen Bezeichnung in Verbindung gebracht worden. Das Männchen der in Mitteleuropa lebenden Sumpf- oder Waldschnepfe durchstreift auf seinem abendlichen Balzflug den Wald in einer bestimmten Höhe, den der Beobachter den Schnepfenstrich nennt. Da 'Schnepfe' zur Schelte für die Dirne wurde, ist ein Zusammenhang mit der Redensart denkbar. Strich als Abkürzung von 'Schnepfenstrich' wäre demnach der Weg, den die Dirnen gehen.
Wolf lehnt diese Deutung ab. Er hält den Ausdruck 'Schnepfenstrich' für eine witzige jüngere Bildung und meint, daß die Redensart aus der Gaunersprache stammt.
Das rotwelsche Strich ist synonym mit 'Leine', das dem lateinischen linea entlehnt ist und die Bedeutung von Grenzlinie besitzt. Der Strich ist also der abgegrenzte Bezirk, in dem die Dirnen ihrem Gewerbe nachgehen und in dem sie keine Außenseiterinnen dulden.

[Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten: Strich, S. 3. Digitale Bibliothek Band 42: Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten, S. 6333 (vgl. Röhrich-LdspR Bd. 5, S. 1572) © Verlag Herder]

carolusMAGNUS Idee
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Woher kommt die Redewendung „Du gehst mir auf den Sack.” ??

"Viele Jugendliche benutzen Redewendungen, ohne sich darüber im Klaren zu sein, in welchem Bedeutungszusammenhang diese früher gestanden haben. Ein beliebter Spruch unter Heranwachsenden (aber nicht nur dort) ist „Du gehst mir auf den Sack.”
Dieser Spruch stammt aus der Zeit, als es noch keine richtigen Türen gab. Statt dessen wurden Säcke vor den Türrahmen (der damals noch nicht so hieß) gelegt. Auf diese Sitte weist unter anderem der Ausspruch „Haben wir etwa Säcke vor der Tür?” hin.

Witterungsbedingt wurden die Säcke natürlich auch nass und mussten getrocknet werden. Bei schönen Wetter legte der Hausbesitzer daher die Säcke in die Sonne. Die leeren Säcke wurden sorgfältig auf den meist kleinen Grundstücken ausgebreitet. Sie markierten auch die Grenzen zum Nachbargrundstück.

Wenn nun jemand fremdes auf diese Säcke trat, hatte er damit schon die Grundstücksgrenze verletzt. Der Eigentümer des Hauses rief dann meist „Geh mir nicht auf den Sack!”,
[Bild: boewu1.gif]
womit er zum Ausdruck brachte, das der Fremde sich auf seinem Grundstück befand. Zudem waren die Säcke zu kostbar, als das sie achtlos als Fußabtreter verwendet werden konnten.

Wenn also heutzutage, wo es zum Glück anständige Türen gibt, jemanden sagt, daß ein anderer ihm nicht auf den Sack gehen soll, meint er damit, daß dieser ihn in Ruhe lassen soll. Meist hat dieser vorher durch sein Verhalten auch eine Grenze überschritten und fängt zu nerven an."

Folglich darf dieser Spruch auch ohne Bedenken von Frauen ausgesprochen werden. Lachen

carolusMAGNUS
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Woher kommt der begriff "Möse" ??

Das ist laut Kluge, Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, 24. Aufl. 2002, nicht richtig klar.
Sicher ist, dass das Wort in der von dir genannten Form erst seit neuerer Zeit belegt ist. Sicher ist auch, dass es zur Wortgruppe um "Mûze, Musche, Muschi, Mutze, Mutz" u.ä. gehört, die alle für die Bedeutung "weibliches Geschlechtsorgan/liederliches Weib" bezeugt sind.
Frühester Beleg ist im 13. Jahrhundert das Wort "mussensun" = Hurensohn. Aber die Herkunft ist eben unklar. Da "Mutz" im bairischen auch "Katze", im schweizerdeutschen auch "Bär" bezeichnet, könnte sich das Wort auf die Schamhaare beziehen.
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ARCHÄOLOGIE
Rätsel der heiligen Huren

Von Schulz, Matthias

"Weihedirnen" in Jerusalem, Tempelsex im Dienst der Aphrodite - viele antike Autoren beschreiben in drastischer Form sakrale Prostitution. Alles nur Legenden? Historiker suchen nach dem wahren Kern der Berichte. Der Verdacht: Es gab einst Götterstätten, die nebenbei Bordelle betrieben.

Die "hässlichste Sitte" in Babylon, meinte der Historiker Herodot (um 490 bis 425 vor Christus), sei die massenhafte Kuppelei im Ischtar-Tempel. Einmal im Leben müssten alle Frauen des Landes dort niedersitzen und sich - gegen Geld - "einem Fremden preisgeben".

"Reiche und hochmütige" Damen, lästerte der Altgrieche, fahren im "verdeckten Wagen" vor.

Ähnlich schändlich trieben es angeblich die Perser am Schwarzen Meer. Dort würden "jungfräuliche Töchter" - kaum zwölf Jahre alt - der Kultprostitution geweiht, behauptete Strabon: "Sie behandeln ihre Liebhaber so freundlich, dass sie sie sogar bewirten."

Zuhauf liegen derlei Berichte aus dem klassischen Altertum vor: Von Sizilien bis Theben sollen Völkerschaften perversen religiösen Bräuchen gefrönt haben.

Auch die Juden: Rund ein Dutzend Stellen im Alten Testament kreisen um "Kedeschen". Der Name steht für weibliches und männliches Kultpersonal. Die Bibel nennt sie "Weihebuhlen" und "Lustknaben". Im 5. Buch Mose wird Strichjungen verboten, ihr "Hundegeld" dem Haus des Jahwe zu stiften.

Forscher des 20. Jahrhunderts griffen die - oft dunklen - Hinweise begierig auf. Bald galt es als Tatsache, dass die Pries-ter im Morgenland Zwangsdeflorationen durchführten; es habe "Mitgift-Prostitution" gegeben und eine "geschlechtliche Vereinigung am Kultort".

Tempelsex, so hieß es im "Lexikon für Theologie und Kirche", sei die "sittliche und gesundheitliche Pestbeule am Leibe der Völker" gewesen.

Aber stimmt das? Immer mehr Wissenschaftler stoßen sich an den Erotikfabeln der Altvordern.

Denn neuentdeckte Keilschriften zeigen ein entschärftes Bild. Immer klarer wird: Die Forscher früherer Jahrzehnte haben das Thema aufgebauscht. Für den Ritus der Zwangsentjungferung zum Beispiel findet sich in Wahrheit nicht ein einziger Beleg.

Eine Fraktion von Gender-Forscherinnen sieht nun alles noch radikaler. Sie streitet die heilige Prostitution in Gänze ab. Die Sache sei erstunken und erlogen.

Erst hätten einige griechische Schriftsteller fremden Völkern ehrabschneidende Schmuddelbräuche angedichtet, um deren sittliche "Verwerflichkeit" herauszustellen, heißt es in einem neuen Buch zum Thema(*1). Aus diesem Schlamm sei dann in der Moderne ein "Forschungsmythos" entstanden.

Die US-Altorientalistin Julia Assante, Wortführerin der Bewegung, ist sicher: Heilige Huren gibt es nur in der "Männerphantasie".

Gemäßigten Gelehrten geht diese Deutung jedoch auch wieder zu weit. Zwar zweifeln sie ebenfalls an manchen der schwülstigen Lehrmeinungen der Vergangenheit. An der Existenz des Phänomens aber halten sie fest. Demnach gab es einst

‣ Heiligtümer, die nebenbei Bordelle führten;

‣ Tempel, in denen Mädchen - noch vor ihrer ersten Menstruation - höchste Priesterämter ausübten;

‣ Profi-Dirnen, die aus eigener Tasche Kultorte stifteten - etwa für eine Göttin "Aphrodite Porne".

Eine erbitterte Debatte wogt da. Feministisch gesinnte Assyriologinnen kabbeln sich mit Lehrstuhlinhabern alten Schlages. Während die einen stets "Alles gelogen!" rufen, versuchen die anderen, unter Verweis auf die sumerische Grammatik, ihre vermeintlich "patriarchalische Sichtweise" zu verteidigen.

Immerhin: Einigkeit besteht über den normalen Straßenstrich im Altertum. Grell geschminkt und mit gelbem Schal standen Athens Dirnen am Fuß der Akropolis. Spezielle "Flötenmädchen" boten den Freiern zuerst Musik auf dem Aulos an, ehe sie keck zur Tat schritten.

Fortsetzung folgt...
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Roms Billighuren kosteten vier Asse (was der Kaufkraft von kaum zehn Euro entspricht). Das Callgirl Messalina hurte sich bis zur Kaiserin hoch.

Auch das fromme Land der Pyramiden bot sündiges Vergnügen. Die Dirnen dort rieben ihre Kunden mit Salben ein. "Dein Phallus ist in den Chenemet-Frauen", heißt es in alten Papyri: "Ein Mann kann besser kopulieren als ein Esel, nur seine Geldbörse hält ihn zurück."

Besonders aber im Zweistromland ging es locker zu. Bereits im Gilgamesch-Epos tritt eine Hure namens Schamchat ("Die Üppige") auf, die den Waldschrat Enkidu betört: "Sie machte ihren Busen frei, tat ihren Schoß auf, und er nahm ihre Fülle."

Vorbehalte gegen das Gewerbe gab es am Euphrat kaum. Eine Tontafel erzählt von einer jungen Frau, die im Haus der Eltern die Kunden empfängt. Als Lohn erhält sie Ferkelfleisch.

Nur was geschah in den Heiligtümern? Was passierte hinter den Tempelmauern der Ischtar? Darüber streiten sich die Gelehrten.

Riesige Bauten hat der Orient seiner Sex- und Liebesgöttin gewidmet. Hymnen priesen sie als "Herrin der Weiber" mit "verführerischem Reiz". "Honigsüß ist sie an ihren Lippen, Leben ist ihr Mund" - Hure Babylon.

Bald griff der Ischtar-Kult auch nach Norden aus.

Erst nach Zypern: Dort kamen griechische Siedler mit der Göttin in Kontakt und tauften sie in Aphrodite um. Dem Mythos zufolge entstieg die Schöne einer blutigen Stelle im Meer, die rot gefärbt war und voller Spermien. Der Titan Kronos hatte dort zuvor das abgeschlagene Geschlechtsteils seines Vaters versenkt.

Unschuldig war die "Schaumgeborene" nie, eher voller Gier und Sinnenrausch. In Uruk feierte man vor 5000 Jahren einen orgiastischen Karneval zu ihren Ehren. Alte Listen zeigen, dass im Heiligtum der Ischtar Tänzerinnen und Schauspielerinnen arbeiteten.

Von Geschlechtsakten und Fruchtbarkeitsriten direkt am Altar, wie früher behauptet, fehlt indes jede Spur. "Für derlei magische Praktiken gibt es keinerlei Hinweis", erklärt der Würzburger Altorientalist Gernot Wilhelm.

Hat Herodot mit seiner Story vom Zwangsbeischlaf der Babylonierinnen also nur geschwindelt? So sehen es die Gender-Forscherinnen.

Wahrscheinlich aber steckt in der Geschichte ein tieferer Sinn. Denn zum Heiligtum der Sexualgöttin gehörte auch spezielles Kultpersonal, die "Harimtu". Das Wort bedeutet "Prostituierte".

Vor einiger Zeit hat der Experte Wilhelm eine spannende juristische Urkunde entdeckt. Sie ist rund 3300 Jahre alt. Dort wird berichtet, wie eine Harimtu vom eigenen Vater zur Buhlerei an den Ischtar-Tempel überreicht wird.

Der Hintergrund: Der Mann will von den Priestern einen Kredit erhalten und gibt ihnen das Kind als "Schuldhäftling" zur Darlehenssicherung.

Nur was genau machte die Verpfändete bei ihrem neuen Arbeitgeber? Wilhelm vermutet, dass das junge Mädchen anschaffen ging - "allerdings außerhalb des Gotteshauses".

Als Beleg nennt der Professor das alttestamentliche "Buch Baruch". Dort ist von Huren die Rede, die im staubigen Häusermeer von Babylon "an den Wegen" stehen. Auch sie sind irgendwie einer sakralen Organisation zugeordnet.

Das Lager der Totalzweifler will von alldem nichts wissen. Harimtu heiße gar nicht Hure, meint die Gender-Gelehrtin Assante; 150 Jahre lang habe die Assyriologie das Wort schlicht falsch übersetzt.

Vielmehr bezeichne der Ausdruck eine "Single-Frau", die als kultische Funktionärin wirkte und ohne Zugehörigkeit zu einem Männerhaushalt lebte.

Gegner schaudert es. Sie halten Assante vor, sie würde den eigenen Sozialstatus ins Vorchristliche verlängern.

Auch semantisch sei die Umdeutung Nonsens, meint der Wirtschaftshistoriker Morris Silver. Harimtu seien zweifellos "professionelle Prostituierte mit kultischen Verbindungen" gewesen, die im Auftrag des Tempels einen "sexuellen Service" anboten. Priester spielten dabei die Zuhälter und schöpften die Gewinne ab.

Selbst in Griechenland gab es wahrscheinlich solche Sakral-Puffs. Der Verdacht richtet sich hier vor allem auf das Aphrodite-Heiligtum von Korinth. Es lag auf einem Felssporn 575 Meter über dem Meer.

Dass es in der Stadt hoch herging, ist unstrittig. Hunderte Schiffe lagen abgetakelt an den Molen. Korinth war eine Drehscheibe des Seehandels. Freudenmädchen, gehüllt in Netzkleider und grell geschminkt, boten dicht bei dicht in den Häfen ihre Reize feil.

Aber auch im Kultbau der Liebesgöttin oben auf dem Felsen ging es angeblich zur Sache. Ihr Tempel "war so reich, dass er mehr als tausend Buhlmädchen besaß", heißt es bei Strabon.

Scharen von Matrosen und Kapitänen seien den Hang hochgekraxelt, um als "Sexhungrige" dort zu herbergen - so sieht es der Brite Nigel Spivey.

Die Altgeschichtlerin Tanja Scheer von der Universität Oldenburg schlägt jetzt eine bessere Lösung vor: "Die Berichte vom heiligen Bordell in Korinth gehen allesamt auf eine Ode Pindars zurück", erklärt sie. Dort wird erzählt, dass ein reicher Olympiasieger im Jahr 464 vor Christus dem Haus eine "hundertgliedrige" Schar von Huren weihte.

Dass sich diese Dirnen direkt am Altar räkelten, sei jedoch unwahrscheinlich. Vielmehr, so Scheer, habe der reiche Sportler eine Finanzspritze in Form von Sklavinnen gewährt: "Die Erträge ihrer Körper konnten eine regelmäßige und fortlaufende Einkommensquelle für das Heiligtum bilden."

Was für diese These spricht: Auch der Gesetzgeber Solon, der um 590 vor Christus in Athen staatliche Freudenhäuser gründete, belegte die Huren mit Steuern. Aus den Einnahmen bezahlte die Stadt sodann einen Bau zu Ehren der Liebesgöttin.

In dem Puff lebten offenbar blutjunge Mädchen, wie ein altes Komödienfragment verrät. Es erzählt von den "Fohlen" der Aphrodite, die "nackt der Reihe nach in einer Linie stehen". "Von diesen kannst du beständig und in Sicherheit für kleine Münze dein Vergnügen kaufen."

Womöglich aber trieb es die Antike doch weit schlimmer. Die Forschung diskutiert auch über sakralen Kindersex.

Wieder führt die Spur nach Babylon und zu dessen 91 Meter hohen Stufenturm - einem der Weltwunder des Altertums. Auf dessen Spit-ze befand sich ein Schrein mit einem Bett, berichten die Quellen. Nachts schlief dort eine Auserwählte, stets bereit zur "heiligen Hochzeit" - dem symbolischen Geschlechtsakt mit dem Gott Marduk.

Aber auch fernab, im Haupttempel von Theben, im Land der Pharaonen, gab es eine "Gottesgemahlin des Amun".

Besetzt wurde dieses Priesteramt von einer "schönen Jungfrau aus angesehenstem Geschlecht", heißt es bei Strabon. "Und sie gibt sich jedem hin, bis die natürliche Reinigung des Körpers einsetzt" (gemeint ist die Menstruation).

Kindesmissbrauch am Nil? Manche Wissenschaftler kommen angesichts der vielen Hinweise ins Grübeln - zumal ein neues Dokument die Debatte befeuert.

Es ist ein verschlissener Fetzen einer ägyptischen Schriftrolle, in der es ebenfalls um kleine Priesterinnen geht.

Bis zur ersten Regelblutung, heißt es in dem Text, dürften die Mädchen im Tempel arbeiten. Dann aber "verstößt man sie aus ihrem Dienst".

(*1) Tanja S. Scheer (Hg.): "Tempelprostitution im Altertum". Verlag Antike, Berlin; 416 Seiten; 59,90 Euro.

DER SPIEGEL 12/2010
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-69629004.html
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Pompejis Bordell
Wo Liebe so billig war wie Brot


Von Karl-Wilhelm Weeber

In Pompeji steht das einzige zweifelsfrei identifizierbare Bordell der Antike. Das Haus, speziell für seinen Zweck gebaut, beweist: Die Prostitution war eine Normalität des römischen Alltags, eine Dienstleistung, die für Kleinstbeträge wie am Fließband verkauft wurde.

[Bild: 67010335.jpg]
Erotisches Fresko im öffentlichen Bad von Pompeji: Erinnerung an das pralle Leben der Antike


"Lustgewinn" überschrieb die "Süddeutsche Zeitung" im vergangenen Oktober einen Artikel im Feuilleton, der von einem pompejanischen Bordell handelte. Für die Ohren der professionellen Führer, die Tag für Tag Touristengruppen durch die Ausgrabungen Pompejis schleusen, eine bittere Überschrift - denn sie werden ein Jahr lang auf das Highlight ihrer Tour verzichten müssen. Der Höhepunkt im Bordell entfällt - das sogenannte Lupanar des Africanus ist wegen Restaurierungsarbeiten geschlossen. 400.000 Euro sind dafür veranschlagt.

Ein teures Vergnügen, mag mancher Skeptiker denken, zumal ganze Viertel der ausgegrabenen Vesuvstadt durch Wind, Wetter und Touristen dem Verfall ausgesetzt sind. Muss da ausgerechnet in ein Freudenhaus so viel investiert werden? Die zuständige Soprintendenza wird dem entgegenhalten können, dass das Haus einer der Stars in Pompejis Sightseeingprogramm ist. Es ist das einzige wirklich zweifelsfrei identifizierbare Bordell der Antike.

Vieles spricht dafür, dass es als solches von vornherein konzipiert war. Das Haus liegt an der Gabelung zweier Straßen und hat zwei für "Laufkundschaft" leicht erreichbare Eingänge. Vom Flur aus, lateinisch Atrium genannt, gehen fünf Zimmer ab, die unverkennbar Arbeitsplätze von Prostituierten waren. Die kleinen, fensterlosen Räume verfügten lediglich über eine gemauerte Liege. Sonstige Möbel passten nicht hinein. Das Obergeschoss hatte fünf weitere, ähnlich spartanisch eingerichtete Räume. Nur einer von ihnen hat ein Fenster. Unter dem Treppenaufgang befand sich eine Latrine.

Ein "Eros-Center", das in seiner architektonisch funktionalen Schlichtheit alles andere als einladend wirkt! Tatsächlich war dieses Freudenhaus von einem ausgesprochen freudlosen Ambiente geprägt. Kultivierte Freude jedenfalls konnten die engen, ungemütlichen, muffigen, von Kerzenrauch verrußten Kammern keineswegs verströmen.

Mit provinzieller Kargheit hatte der fehlende Ausstattungsluxus des Bordells jedoch nichts zu tun. Literarische Berichte über lupanaria in Rom - lupa, also Wölfin, war ein ziemlich deftiger Begriff für Prostituierte - bestätigen den archäologischen Befund aus Pompeji.

Der Satiriker Juvenal beschreibt in seinem fiktiven "Bericht" sehr realitätsnah die nächtlichen Eskapaden der "kaiserlichen Hure" Messalina (meretrix Augustana): wie die Gattin des Kaisers Claudius nach Einbruch der Dunkelheit vom Palatin in den Mief eines "schwülen Bordells" am Circus Maximus herabschleicht, wo ein stickiger, dämmriger Raum für sie als Arbeitsplatz reserviert ist. Stundenlang geht sie dort unter dem Fantasienamen Lycisca ihrem verschwiegenen Gewerbe nach, bis der Strom der Bordellbesucher versiegt und sie "hässlich, die Wangen geschwärzt und entstellt vom Rußen der Lampe" mit dem "üblen Geruch des Bordells auf der Haut" in den Kaiserpalast zurückkehrt.

Schein und Wirklichkeit

Juvenals drastische Darstellung und die Trostlosigkeit der Hurenkammern im Bordell des Africanus werfen ein Schlaglicht auf die miserablen Arbeitsbedingungen im römischen Bordellbetrieb. Die düsteren, übel riechenden Billigbordelle boten raschen Sex-Service im Zehnminutentakt. Abdruckstellen auf den steinernen Liegen zeigen, dass viele Besucher sich nicht einmal die Mühe machten, ihre Schuhe auszuziehen.

[Bild: 61962388.jpg]
Fresko aus Pompeji: Liebe in bräunlichen Tönen

Lycisca nahm ihren Hurenlohn selbst in Empfang, bevor "sie die Stöße von vielen verschlang". In unserem pompejanischen Bordell mögen die Zahlungsmodalitäten auch so gewesen sein. Als Alternative käme aber auch eine Art Zentralkasse im Atrium in Frage, an welcher der Bordellwirt oder sein Manager saß. Die Gestaltung des Empfangsraums legt diese Variante nahe, denn im Unterschied zu den tristen cellae strahlte er durch die Fresken über jedem Eingang zu einer Prostituiertenkammer sogar einen gewissen Glanz aus.

Die Fresken zeigen in bräunlichen Tönen gehaltene erotische Szenen auf bequemen, mit weichen Decken üppig gepolsterten Liegen. Die cellae sind auf diesen Bildern von bunten Girlanden geschmückt und die "Damen" verbreiten eine Aura verführerischer Willigkeit, zu der verschiedene Liebesstellungen ebenso beitragen wie einladende laszive Gesten und Blicke.

Mit der Realität des Billigbordells hatten diese pornografischen Fantasien indes nichts zu tun. Aber sie waren sicher gut fürs Geschäft, weil sie den Kunden erotische Wonnen der Spitzenklasse in Aussicht stellten und Illusionen weckten, die die Kasse klingeln ließen. Spätestens wenn sich die Tür oder der Vorhang öffnete, das Schild occupata ("besetzt") abgenommen wurde und der Blick des Kunden in die düstere cella fiel, verflogen manche Illusionen.

Schäbige Wirklichkeit - sie erweist sich auch in nackten, nüchternen Zahlen. Durch Graffiti sind wir bestens über die Preise für sexuelle Dienstleistungen informiert. Der übliche Basispreis für einen Prostituiertenbesuch lag bei zwei Assen. Das entspricht dem Preis von zwei Laiben Brot oder einem halben Liter Wein gehobener Qualität. Manchmal war sogar noch Fellatio inklusive.


... Fortsetzung folgt ...
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Teil 2

Großes Angebot, kleiner Preis: Warum Bordellbesuche selbst für Sklaven erschwinglich war

[Bild: 36479105.jpg]
Fresko aus Pompeji: Maximaltarife für die käufliche Liebe

Je nach Aussehen der Dirne oder nach Sonderwünschen und Umfang des Service erhöhte sich der Preis. Manche "Damen" verlangten vier oder acht Asse, Spitzenverdienerinnen wie eine gewisse Attice konnten 16 Asse, die wahrhaft "glückliche" Fortunata sogar 23 Asse durchsetzen. Selbst diese Höchstpreise waren günstig, setzt man sie in Beziehung zum Tageslohn eines Arbeiters. Der lag bei rund 16 Assen.

Solche Maximaltarife für die käufliche Liebe stellten aber absolute Ausnahmen dar. In 16 von 28 einschlägigen Tarifangaben werden lediglich zwei Asse genannt. Das war offenkundig der Standardpreis, zu dem sich die "Griechin Eutychis, von nettem Wesen" ebenso hingab wie die "nuckelnde Lahis".

Wie erklärt sich das außerordentlich niedrige Preisniveau der Prostitution in der römischen Welt - in Pompeji und anderswo? Zum einen war die Prostitution in der römischen Zivilisation geradezu allgegenwärtig. Sie diente als gesellschaftlich anerkanntes Ventil zum Schutz unverheirateter und verheirateter "ehrbarer" Frauen. Es galt nicht als besonders anstößig, beim Betreten oder Verlassen eines Bordells gesehen zu werden. Und den Verkehr mit einer Prostituierten wertete das Gesetz nicht als - ansonsten strafbaren - Ehebruch, weil sie als ehrlos galt.

Zum anderen stand ein schier unerschöpfliches Reservoir an Mädchen und Frauen zur Verfügung, die als Sklavinnen von ihren Herren zur Prostitution gezwungen werden konnten. Freigelassene Frauen, die nichts anderes gelernt hatten, blieben oftmals in dem ihnen vertrauten Rotlichtmilieu. Das Gros der Prostituierten rekrutierte sich aus diesen sozialen Schichten. Um sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen, verkauften aber auch manche frei geborenen Frauen ihren Körper in Bordellen.

Die ehrlosen Orte

Der großen Nachfrage stand damit ein noch größeres Angebot gegenüber, und das drückte erheblich auf den Preis der Dienstleistung. Auch für Geringverdiener und selbst für Sklaven, die nur über ein bescheidenes Taschengeld verfügten, war der Besuch bei einer Prostituierten erschwinglich. Männer aus höheren sozialen Schichten stürzten sich schon einmal ins Nachtleben der kleinen Leute. In der Regel aber ließen sie sich von Edelprostituierten in ihren eigenen vier Wänden verwöhnen und mieden Bordelle und andere loci inhonesti, "ehrlose Orte".

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Restauriertes Mosaik aus Pompeji: Angebot an Prostitution war größer als die Nachfrage

Zu denen gehörten auch Kneipen, Imbisslokale, Nachtbars und Absteigen. Alle im Gastronomiegewerbe Tätigen standen unter dem Generalverdacht der Förderung oder Ausübung der Prostitution. "Viele pflegen unter dem Vorwand, eine Schankwirtschaft zu betreiben, Frauen zu beschäftigen, die sich prostituieren", stellt der Rechtsgelehrte Domitius Ulpian (gest. 323 n. Chr.) lapidar fest. Viele ja, aber nicht alle, muss man fairerweise einschränken.

Für Archäologen und Historiker ein schwieriges Unterfangen: Wie lassen sich aus den mehreren Dutzend Gastronomiebetrieben Pompejis diejenigen herausfiltern, die Ulpian meint? Es sind im Wesentlichen zwei Indikatoren, die auf einen Bordellbetrieb schließen lassen. Einmal obszöne Wandmalereien, wie sie das Lupanar des Africanus schmücken. Die stimulierende Wirkung unmissverständlicher sexueller Motive machten sich auch manche Wirte zu Nutze.

Beredte Künstlernamen

Den zweiten Indikator liefern Graffiti, in denen Kunden die Mädchen, ihre Preise und "besondere Künste" vorstellen oder der Wand anvertrauen, dass sie wie etwa ein gewisser Scordopordonicus "hier prima" oder wie ein Anonymus "hier viele Mädchen gevögelt" haben. Wie sich allein im Bordell des Africanus rund 120 solcher "Themengraffiti" erhalten haben, so sprechen auch die Wände mancher Gaststätten von sexuellen Ausschweifungen.

Sie verraten uns, dass die meisten Prostituierten ansprechende Pseudonyme verwendeten. Sie nannten sich Optata, "die Erwünschte", Spes oder Helpis, "die Hoffnung", Fortunata, Felicia, Faustilla, "die Glückliche", oder auch Victoria oder griechisch Nica, "die Siegreiche". Manche ließen sich von ihren Verehrern als fellatrix, "Fellatio-Expertin", extaliosa, "die mit dem üppigen Hintern", pamhira, "die Trinkgierige", oder Callidrome, "die mit dem schönen Gang", preisen.

Bordellbesucher vor zweitausend Jahren hatten es jedenfalls deutlich leichter als moderne Archäologen, ihren Weg zu tatsächlich "unanständigen Lokalitäten" zu finden. Bei Tage stand oder saß manche Dirne in aufreizender Kleidung vor ihrer cella oder flanierte auffällig in stark frequentierten Anbahnungszonen wie Säulenhallen, Thermen und Theatern. Bordelle und Kneipen mit einschlägigem Angebot machten durch Werbeschilder auf sich aufmerksam. Die Darstellung eines Phallus mit der einladenden Beischrift hic habitat felicitas ("Hier wohnt das Glück") war als Logo eines Amüsierbetriebs kaum misszuverstehen.

Nachts hing vor manchem Etablissement eine Lampe, die eindeutig den Weg wies. Nicht mit rotem Licht, aber mit ihrer Form: Ein erigierter Phallus leuchtete standhaft zum nächtlichen Glück.

Quelle: Spiegel.de
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Die Frau in der Römischen Antike

Dirnen

Fünfundvierzig Bordelle gab es schätzungsweise in Rom während der späten Kaiserzeit. Die Prostituierten, die dort arbeiteten, waren meist ausländische Sklavinnen, und es gab gesonderte Märkte, auf denen sie von Zeit zu Zeit den Besitzer wechselten. Ein Verkäufer, erzählt schnippisch Martial, habe einmal eine zum Verkauf stehende Dirne an sich gezogen und mehrmals geküßt, um zu zeigen, daß sie sauber sei und um den Preis so in die Höhe zu treiben. Das Resultat war, daß das einzige bestehende Angebot zurückgezogen wurde.

Alle Prostituierten (lupae, scorta, meretrices) waren polizeilich, d.h. bei den Aedilen, die auch die Oberaufsicht über die Bordelle führten, registriert. (Übrigens heißt es in der Gründungsgeschichte Roms: Romulus und Remus waren Söhne einer Wölfin. Möglicherweise ein gewagtes Wortspiel - eine Wölfin hieß ebenfalls lupa.) Manchmal wurde diese Registrierung allerdings auch von gewöhnlichen Frauen mißbraucht; sie ließen sich dort als Prostituierte eintragen und konnten so Ehebruch begehen, ohne daß sie oder ihr Liebhaber oder Ehemann nach den Augusteischen Gesetzen bestraft werden konnten. Daß dies ohne Wissen des Ehemanns geschah, war allerdings selten. (Tiberius verschärfte die Gesetze, so daß das nicht mehr möglich war.)

Die Prostituierten pflegten sich übermäßig zu schminken und zu parfümieren; sie trugen meist eine Toga in grellen Farben. Seit C. Caligula mußten sie eine nach ihrem Einkommen bemessene Steuer an den Staat entrichten. Für ein Schäferstündchen waren zwei bis achtzehn Asse als Honorar fällig.

Die Bordelle in Rom durften nicht vor drei Uhr am Nachmittag ihre Pforten öffnen; es gab verschiedene Formen von Bordellen, so z. B. waren manche an Bäder, andere an Frisiersalons angegliedert. Daneben existierten auch selbständige Prostituierte, die sich ihre Kunden auf den Straßen (vor allem der Via Sacra), beim Circus Maximus oder in zwielichtigen Stadtvierteln suchten, um sie dann in irgendein Hotelzimmer zu dirigieren.

Im von der Lava des Vesuvs begrabenen Pompeji gab es ein Bordell, dessen einzelne Räume ungefähr 6x2m groß waren und je ein Bett von zwei Metern im Quadrat hatten. Die Räume waren schlecht beleuchtet und meist stickig und übelriechend. An der Wand sollen sich Fresken befunden haben - "obszönere Darstellungen kann man sich kaum vorstellen" meint Balsdon; ich selbst habe sie leider nicht gesehen.

Es war für junge Römer ein selbstverständlicher Teil der Erziehung, einmal ein solches Bordell zu besuchen, und man fand nichts dabei. Cato der Ältere sagte, als er einmal einen Jungen aus einem solchen Haus kommen sah: "Recht so." Als sich dieses jedoch häufig wiederholte, meinte er: "Als ich 'Recht so' sagte, meinte ich nicht, daß du dich hier zu Hause fühlen sollst!"

Cato der Ältere war es übrigens auch, der erkannte, daß Sklaven auch nur Menschen sind und ihnen deshalb auf seinen Landgütern eigene Bordelle einrichten ließ.

Spätestens jetzt drängt sich die heikle Frage nach Empfängnisverhütung und Abtreibung im alten Rom auf, und ebenso heikel ist die Antwort darauf. Es sind keine diesbezüglichen Mittel bekannt, und auch Ovid beschreibt in seinem Leitfaden für Kurtisanen (ars amandi, bes. drittes Buch) keinerlei Verhütungsmethoden. Also ist anzunehmen, daß es so etwas nicht gab. Erst Ende des vierten Jahrhunderts wurde das Aussetzen von Kindern verboten - vermutlich war dies zuvor eine vielgenutze Möglichkeit, sich ungewollter Nachkommen zu entledigen.

Ohnehin war die Kindersterblichkeit sehr hoch; von den mindestens 12 Kindern des Marc Aurel überlebten nur fünf ihren Vater, und das war keine Seltenheit.

Abtreibung war zwar damals schon möglich, aber mit vielen Risiken verbunden. Die Überlebenschance für die abtreibende Frau dürfte wohl fünfzig zu fünfzig betragen haben.

Geschlechtskrankheiten (da wir gerade bei dem Thema sind) gab es kaum; Der jüngere Plinius erzählt in einem Brief vom Selbstmord eines jungen Ehepaares (nach Ansicht heutiger Fachleute) aufgrund einer Syphilis; sonst erfahren wir nirgends von solchen Dingen.

Kurtisanen

Die Kurtisane unterschied sich von der Dirne dadurch, daß sie erstens meist von einem Mann längere Zeit (zuweilen ein halbes Leben lang) ausgehalten wurde; deshalb reichte es nicht, wenn sie ihren Liebhaber im Bett glücklich machte. Sie mußte schon auch Verstand haben und als Begleiterin auf Veranstaltungen auftreten können. Kurtisanen waren gepflegte, elegante, reizvolle - und kostspielige - Damen.

Eine Kurtisane lebte häufig mit Schwester und Mutter unter einem Dach, wobei diese nicht selten von den Einnahmen profitierten. Zuweilen kam es auch vor, daß der Liebhaber ihr eine Wohnung bezahlte, meist war dann auch ein Sklave zur Bedienung und Überwachung inbegriffen.

Dieser Beruf wurde meist von freien Römerinnen oder Freigelassenen ausgeführt; das größte Unglück für eine Kurtisane war, wenn sie sich in ihren Freier aufrichtig verliebte. Denn es war finanziell gesehen am besten, wenn der Liebhaber dauernd Angst haben mußte, ein Finanzkräftigerer könne ihm seine Geliebte wegschnappen. So kam es denn häufig vor, daß sich junge Römer nicht wegen einer politischen Karriere, sondern wegen eines Mädchens in Schulden stürzten.

Ovid warnt gesittete Hausfrauen (matronae) davor, seine ars amandi zu lesen. Täten sie es doch, seien sie selbst daran schuld, schreibt er. Und dann legt er los: Eine Kurtisane sollte sich, wollte sie Erfolg haben, gut die Zähne putzen (das Zähneputzen war damals überhaupt nicht üblich); sie sollte sich möglichst oft und lange auf der Straße zeigen. Liebesbriefe sollte sie beantworten, aber besser zu spät als zu früh. Ihren Liebhaber sollte sie necken und mit Maßen quälen. Außerdem schlägt Ovid seinen Leserinnen plausible Entschuldigungen vor, die sie vorbringen konnten, wenn sie einmal den Liebhaber versetzt hatten; "religiöse Pflichten, die zu erfüllen waren" oder das Besuchen einer kranken Freundin waren die Favoriten. Ja, er gibt sogar das Rezept für ein Schlafpulver an, mit dem man sich eines Liebhabers entledigen konnte, der einem auf die Nerven fiel.

Es steht außer Frage, daß fast jede der gesitteten Hausfrauen auch dieses Buch gelesen hat (heimlich natürlich), um zu wissen, welchen Tricks ihr Ehemann Widerstand zu leisten hatte, wollte er treu bleiben.

Vestalinnen

Den sechs Priesterinnen des Vesta-Tempels war ein hartes Los beschieden. Im zarten Alter von zehn Jahren wurden sie ihren Familien entrissen, sie konnten nun nichts mehr erben, standen aber auch nicht mehr unter des Vaters Gewalt und konnten jetzt eigenen Besitz haben.

Die Vestalinnen hatten dafür zu sorgen, daß im Vesta-Tempel niemals das Feuer ausging; außerdem waren sie bei verschiedenen Festivitäten zugegen und führten Kulthandlungen aus. Auch wurden sie zuweilen gleich einem Orakel nach der Zukunft des Staates befragt.

Sie durften sich nicht oder nur in geringstem Maße schminken oder parfümieren und hatten ihre Jungfräulichkeit mindestens bis zum vierzigsten Lebensjahr zu bewahren. (Von da ab konnten sie wieder normale Frauen werden, aber die meisten vermieden das, denn sie hätten sowieso mit vierzig keinen Mann mehr gefunden.) Wurde diese Pflicht von einer Vestalin verletzt, so mußte sie bei lebendigem Leibe begraben werden. Diese Begräbnisse kamen zwar nur selten vor, doch wenn es der Fall war, herrschte in ganz Rom Staatstrauer, und jeder verhielt sich so, als sei seine eigene Tochter soeben gestorben.

Es gab natürlich auch einige Lichtblicke im Leben der Vestalinnen. So war zum Beispiel kein Eid notwendig (ebenso wie beim Flamen Dialis, dem Jupiterpriester), wenn sie vor Gericht aussagen wollten, sie erhielten (in der Kaiserzeit) bevorzugte Plätze bei Theater und ähnlichen Veranstaltungen. Begegneten sie einem zum Tode verurteilten auf dem Weg zur Hinrichtungsstätte, so konnten sie das Urteil aus freien Stücken annullieren, wenn sie beteuerten, die Begegnung sei zufällig gewesen. Schließlich durften sie von Zeit zu Zeit an außerordentlichen Festessen teilnehmen. Dreißig Gänge waren keine Seltenheit, Austern und Spargel selbstverständlich inklusive.

Neben den Vestalinnen gab es natürlich auch andere im Kultdienst beschäftigte Frauen, so zum Beispiel die Frauen der Inhaber der vier höchsten Priesterämter, die dann automatisch Priesterinnen waren. Über ihre Rechte und Pflichten ließ sich allerdings keine Information auftreiben.

Quelle: http://www.remote.org/frederik/projects/...#exception
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