Kurzfassung: Die Armee hat seit Donnerstagnachmittag das von den Rothemden besetzte Gebiet mit massiver Präsenz und scharfer Munition eingekesselt. Dabei kommt es immer wieder zu teils schweren Zusammenstößen. Darüber hinaus kommt es aber mittlerweile auch in anderen Teilen Bangkoks ausserhalb der Armeelinien zu Ausschreitungen. Die folgende, regelmäßig aktualisierte Google Map gibt einen Überblick über die betroffenen Gebiete:
http://digg.com/u1X49N
Der Airport und andere Regionen sind unbetroffen, ein Transit ist also problemlos möglich. Auch die untere Sukhumvit und Ratchada sind noch nicht betroffen, insofern ist ein Soapy-Besuch noch problemlos möglich. Ich würde allerdings die nächsten Stunden und Tage sehr genau das Geschehen verfolgen. Die Tatsache, dass auch in Gebieten ausserhalb der Armeen Aufstände und Ausschreitungen stattfinden und die Rothemden über Facebook & Co Unterstützung aus anderen Thailands mobilisieren, sieht mMn nicht gut aus.
Das Gebiet um Ratchaprasong wurde mittlerweile auf offiziellen Schildern als "Live Bullet Area" deklariert. Keine Presse mehr auf den Rothemdbühnen innerhalb Ratchaprasong, da zu gefährlich. Gut 20 Tote seit Donnerstag, darunter offenbar 3 Ausländer.
Gute Quellen zum verfolgen:
Live-Ticker auf ThaiVisa.com:
http://www.thaivisa.com/forum/Thailand-N...s-f18.html (den jeweils aktuellen Thread des Tages angucken)
CNN berichtet ganz gut:
http://edition.cnn.com/ASIA/
BBC:
http://news.bbc.co.uk/2/hi/asia-pacific/default.stm
Al Jazeera:
http://english.aljazeera.net/news/asia-pacific/
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Langfassung:
Nach den blutigen Zusammenstößen am Democracy Monument vor Songkran und in Silom/Sala Daeng (wie berichtet) war die Lage erstmal etwas ruhiger. Die Rothemden stürmten dann irgendwann das Chulalungkorn Hospital, weil sie dort versteckte Armee vermuteten, und behinderten so die medizinische Versorgung noch weitaus stärker, als sie es eh schon durch die Besetzung der Ratchaprasong (die genau am Krankenhaus vorbeiführt) taten. Ärzte und Krankenschwestern zeigten sich schockiert; Patienten wurden in anderen Krankenhäuser verlegt; Angehörige waren besorgt. Angeblich bekamen Patienten ihre Organtransplate zu spät. Für die Rothemden war es ein PR-Desaster und insofern mussten auch sie sich jetzt bewegen.
Das taten sie zunächst durch Freimachen einer Spur der Ratchaprasong, damit dort wieder Krankenwagen zum Chula Hospital vorfahren konnten. Auch die Regierung rund um Abishit bewegte sich, und veröffentliche eine Roadmap to Peace, in der vorgezogene Neuwahlen Mitte November und eine Auflösung des Parlaments im September angekündigt waren, sofern die Rothemden ihre Demonstration aufgeben. Eigentlich also genau das, was die Roten zuvor gefordert hatten und so wurde zunächst Zustimmung signalisiert und die Roadmap angenommen. Alles sah nach einer politischen Lösung aus.
Offensichtlich kam es dann zu Uneinigkeit innerhalb der Führung der Rothemden. Ratchaprasong wurde nicht geräumt und man verlangte mehr Zeit zum Beratschlagen, bis man dann irgendwann mit einer eigenen "Interpretation" der Roadmap an die Öffentlichkeit ging: Zunächst müsse Suthep, Stellvertreter von Abishit, sich einer Untersuchung der Vorfälle am Democracy Monument stellen, da er für die Toten dort verantwortlich gemacht word. Suthep stellte sich auch offensichtlich einer Untersuchung, allerdings wurde diese von den Redshirts nicht akzeptiert, sondern als manipuliert betrachtet. Abishit zog seine Roadmap zurück und kündigte ein hartes Durchgreifen an; die Redshirts zeigten sich unbeeindruckt. Zwei Redshirt-Führer verließen die Bewegung auf Grund von internen Differenzen mit den anderen Leadern; einer befindet sich jetzt wohl im Exil in England.
Als erste Maßnahme sollten Wasser, Elektrizität und Handyempfang rund um das Protestgebiet abgeschaltet werden, um die Rothemden auszuhungern. Dieser Plan wurde jedoch auf Grund von Bedenken der anliegenden Geschäfte, Privatleute und Schulen, die eigentlich diesen Montag öffnen sollten, vertagt. Aber es war klar, dass irgendwann etwas passieren musste; Abishit verlor auch unter eigentlich Pro-Government Änhangern Rückhalt, da er nicht durchgriff.
Donnerstag
Am Donnerstag hatte ich eine Präsentation bei einem deutschen Konzern hier in Bangkok mitten in Sathorn/Silom. Bereits während des Smalltalks mit den Managern erfuhr ich, dass die Polizei sämtliche Geschäfte in den Bereichen rund um Ratchaprasong/Sathorn/Silom aufgeforder hatte, frühzeitig zu schließen und ihre Mitarbeiter nach Hause zu schicken. Während meiner Präsentation klingelten pausenlos die BlackBerries der anwesenden Leute; die Regierung verschickte ihre üblichen Ankündigungen per SMS. Pünktlich um 16 Uhr waren wir fertig; die Straßen waren zu diesem Zeitpunkt schon erstaunlich leer. Im Radio konnte ich hören, dass BTS und MRT tatsächlich schon um 18 Uhr schließen würden.
Eines meiner Giks wollte nach der Arbeit mit dem Auto vorbeikommen, um "German Sausage" zu essen, brauchte aber Stunden, da überall Stau herrschte. Alle Bangkoker versuchten nach Hause zu kommen und es waren bereits einige Straßen abgesperrt. Die Armee war dabei, das Gebiet der Rothemden zu umstellen. Man dürfe das Gebiet verlassen, jedoch nicht (wieder) betreten. Die Rothemden sollten so nach und nach ausgehungert werden. Scharfe Munition war zunächst nur im Fallen von Gegenwehr oder terroristischen Akten angekündigt.
Im Fernsehen konnten wir dann verfolgen, dass "Seh Daeng", ein charismatischer, polarisierende, radikaler Rothemden-Führer, ehemaliger Militär-Offizier, der übergelaufen war, während eines Interviews mit Reportern in den Kopf geschossen wurde. Entgegen erster Annahmen war er nicht tot; er befindet sich nach wie vor im Koma. Offenbar wurde er durch einen Scharfschützen mit einer Spezialwaffe aus großer Entfernung von einem hohen Gebäude beschossen, was darauf schließen lässt, dass es sich um Spezialisten handelt. Unklar ist, ob es die Regierung war, um den radikalen Teil der Rothemden auszuschalten; ob es die Rothemden selbst waren, um in den eigenen Reihen aufzuräumen und einen zu großen Mitwisser auszuschalten; oder ob es ein Spezialkommando der Armee war, die Rache dafür nehmen wollte, dass in den Ausschreitungen vor Songkran ihr Offizier durch Rothemden getötet wurde.
Eine offizielle Mitteilung der CRES im Thai-TV forderte alle Bürger auf, die Gebiete rund um Ratchaprasong (bis einschließlich Petchburi, einiger bekannter Hotels, und MBK) nicht zu betreten, und dass man Wasser, Elektrizität/Licht und Handyempfang in diesen Gebieten abschalten würde. Nach einer mittelmäßigen Nummer mit meinem Gik hatte ich Hunger, aber McDonalds wollte schon nicht mehr liefern: "Sorry, sir, all branches in your area closed, too dangerous."
Freitag
Nachdem mein Gik sich auf zur Arbeit gemacht hatte, telefonierte ich mit Freunden. Per SMS hatte man ihnen mitgeteilt zuhause zu bleiben. Sie arbeiten im Bereich Sukhumvit. Eine Bekannte, deren Familie mehrere Unternehmen hier gehören, wohnt mit ihren Angehörigen in einem Condo am Lumpini Park. Man konnte nicht nach Hause, da auf der Straße Autos brannten und scharf geschossen wurde. Ein Familienmitglied saß zu diesem Zeitpunk noch zuhause und konnte nicht raus. Letztlich konnte man ihn durch eine Polizeieskorte abholen lassen, und erstmal über's Wochenende nach Pattaya fahren. Aus meinem Fenster sehe ich, wie auf dem Highway mehr Armeelastwagen einfahren.
Zu diesem Zeitpunkt waren sämtliche Straßen gesperrt; auf den Straßen brannten Barrikaden aus Autoreifen und gekaperte Busse. Wir sprechen hier von Lumpini-Park, Suan Lum Night Bazar, Rama IV, Sala-Daeng (Patpong), Petchburi, Wireless Road. BTS und MRT stellten ihren Betrieb wieder frühzeitig ein. QHouse-Building schickte sämtliche darin untergebrachte Unternehmen nach Hause, nachdem eine scharfe Kugel den Weg in ein Fenster schaffte. Die englische und amerikanische Botschaft, beide direkt am Lumpini Park/Wireless Rd (USA) bzw. Sukhumvit/Wireless Rd (UK) gelegen, schlossen frühzeitig. Angeblich sollte zu diesem Zeitpunkt auch Sukhumvit bis Thonglor evakuiert werden, was sich nachher als Falschmeldung herausstellte. Allerdings wurden alle Geschäfte bis einschließlich Emporium Tower dichtgemacht. Die Straßen waren voll mit Menschen und Autos, jeder wollte wohl schnell nach Hause.
Armee und Rothemden lieferten sich schwere Auseinandersetzungen. Soldate schossen mit Tränengas, Gummigeschossen, und scharfer Munition; Rothemden schmiessen Molotov-Cocktails, steckten Autoreifen und gekaperte Fahrzeuge in Brand, und schossen Feuerwerkskörper aus erbeuteten Spritzpistolen der Feuerwehr. Panik wohl bei Anwohnern und Presse, da wohl auf alles sich bewegende scharf geschossen wurde. Teilweise Festnahmen durch die Armee, wobei unklar ist, ob es sich wirklich um Rothemden handelt oder nicht.
http://www.youtube.com/watch?v=bxI1z266EXo
Zu diesem Zeitpunkt sprach CRES davon, dass sich unter den Rothemden etwa 500 Terroristen befinden würden. Man hätte das Gebiet aber zunehmend unter Kontrolle. Unabhängige Medien berichteten von Gebieten wie Din Daeng, die ausserhalb des armeebesetzten Protestgebietes liegen, und in denen es zu Ausschreitungen, brennenden Barrikaden und Granaten kam. Rothemdenführer kündigten für Freitagnacht eine "Tragödie" an, wie sie Thailand nicht gesehen habe.
Am Abend wollte ich mich dann auf den Weg nach Nana machen. Ich hatte Hunger; weder McDonalds, noch KFC, noch ChefsXP wollen hier noch liefern. Ich wollte mir Sukhumvit angucken, inwieweit dort etwas betroffen ist. Und mein Kumpel erzählte mir, dass ein paar Freundinnen eine Party im Glow hatten.
Ich hatte zunächst Bedenken, überhaupt ein Taxi zu finden, schließlich müssten wir eine große Runde drehen. Letztlich wurde ich förmlich von einem Fahrer in sein Taxi reingezogen und er wollte nicht mal wissen wohin ich will. Umso ratloser war er dann, als ich ihm sagte, ich wolle nach Sukhumvit. Welchen Weg man da jetzt nehmen könne, wo dich alles geschlossen sei?
Schließlich nahm er den Weg, den ich auch gefahren wäre, vorbei an allen Polizei- und Militärsperren, Richtung Jatujak über den Nordwesten rein Richtung Sukhumvit. Da man auch sonst in Bangkok regelmäßig riesige Polizeisperren zwecks Drogen- und Verkehrskontrollen sieht, sah die Szenerie nicht mal besorgniserregend aus. Bis wir irgendwann mitten in Din Daeng waren; jenem Stadtteil nähe des Victory Monuments, in dem momentan ausserhalb der Armeelinien Ausschreitungen stattfinden. Links und rechts brennende Barrikaden auf der Straße; Rothemden schaffen weitere Baumstämme ran; zwei mit Helmen und schusssicheren Westen ausgestattete Reporter verlassen auf einem Motorbike das Gebiet. Na prima. Zum Glück war zu diesem Zeitpunk keine Armee und Polizei da und wir waren schnell wieder raus.
Trotzdem wusste mein Fahrer nicht, wo er endlich wieder Richtung Sukhumvit abbiegen könnte. Alles war irgendwie gesperrt. Mitunter nahmen wir eine Auffahrt, um dann 200 Meter doch festzustellen, dass Militär und Scharfschützen auf dem Boden die Straße dichtgemacht hatten und links neben der Spur ein ausgebrannter Polizeibus lag.
Schließlich fanden wir durch über die Umwege Ratchada, Rama IX, Petchburi, Phrom Phong den Weg nach Sukhumvit, wo alles seinen gewohnten Gang ging. Es sah leerer aus als sonst, aber den anwesenden alleinreisenden Herren und ihren weiblichen Begleitungen schien das nichts auszumachen. NEP und Soi Cowboy geöffnet wie immer; etwas befremdlich das Bild, dass im Nana Parkinglot jetzt nicht nur Mädels auf dem Parkplatz stehen, sondern sich mit schwer bewaffneten Soldaten mischen. Nur ein paar Meter weiter, kurz nach Soi 1, wo die Sukhumvit aufhört und in die Ploenchit Rd mündet, fängt das armeebesetzte Gebiet an. An jeder Ecke hängen die Thais vor ihren Fernsehern, um die Lage zu verfolgen. Man spürt eine gewisse Anspannung. Bei Annies sehe ich im TV, wie Rothemden in einer anderen Ecke Bangkoks Soldaten überfallen:
http://www.youtube.com/watch?v=6rGqZDvRa_U
Mit ein bisschen McDonalds-Fast-Food, das weder "fast" (1 Stunde hin, 45 Minuten zurück) noch günstig ist (200 THB hin, 200THB zurück), mache ich mich auf den Weg zurück nach Hause. Die Highway-Auffahrt zwischen Soi 1 und Ploenchit ist bereits gesperrt; nach langem Umherfahren stehen wir wieder vor dem ausgebrannten Polizeibus und den Snipern auf dem Boden. Schließlich können wir irgendwann bei Rama IX/Ratchada auf den Highway auffahren. 45 Baht, alles ist lehr, sehr angenehm. Als wir Din Daeng überqueren, sehe ich für einen Augenblick wieder die brennenden Barrikaden unter uns auf der Kreuzung. Der Highway hüllt sich in dichten schwarzen Rauch, der von oben hinaufsteigt und uns für ein paar Sekunden die Sicht nimmt.
Samstag
Die angekündigte Ansprache der CRES enthält keine neuen Informationen. Die Aktion werde fortgesetzt und man habe das Gebiet unter Kontrolle; scharf geschossen würde nur auf Terroristen. Ein Sprecher der Rothemden bestätigt, dass das Proviant ausgehe. 70% der Demonstranten sind offenbar Kinder und Alte.
Regelmäßig meldet sich Thaksin zu Wort, der Verhandlungen fordert und ein Ende der Maßnahmen gegen die Demonstranten. Ban Ki Mon und die UNO fordern alle Parteien zur Besonnenheit auf. Die Armee erklärt das Gebiet um Ratchaprasong zu einer "Live Bullet Zone", entfernt die Schilder aber später wieder aus Angst vor weiterer Panik. Die Zahl der Toten und Verletzten steigt auf gut 20, darunter wohl auc 3 Ausländer.
Ausserhalb des armeekontrollierten Gebietes sind vor allem Din Daeng und Bon Kai immer noch von Rothemden besetzt. Es brennen Barrikaden aus Autoreifen und immer neue Lastwagen mit Autoreifen kommen an. Bereits gestern berichtete jemand, er wüsse nicht, wo er jemals soviele Autoreifen gesehen habe und wie sie die alle besorgt hätten.
Über Facebook und traditionelle Medien ruft die UDD dazu auf, die Rothemden zu unterstützen. Man solle nach Bangkok fahren und sich an bestimmten strategischen Punkten sammeln.